Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 33 Ns 27/08) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht- Schöffengericht - Essen hat die Angeklagte durch Urteil vom 29. Januar 2008 wegen mittelbarer Falschbeurkundung in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen in 31 Fällen, davon in 2 Fällen in Tateinheit mit Erschleichen eines Aufenthaltstitels, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt (Einzelstrafen jeweils 90 Tagessätze), deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die hiergegen gerichteten Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten hat die XIII. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen durch das angefochtene Urteil vom 6. Juni 2008 kostenpflichtig verworfen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, die durch Schriftsatz der Verteidigerin vom 23. Juli 2008 mit der näher ausgeführten Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist
II.
Die Revision führt schon aufgrund der Verfahrensrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen.
Die Revision beanstandet mit ihrer ersten Verfahrensrüge die Verletzung des § 261 StPO mit der Begründung, entgegen der Mitteilung im angefochtenen Urteil (- die wahre Identität der Angeklagten folge aus den in Augenschein genommenen türkischen Registerauszügen , Bl. 16. der Urteilsgründe - ) habe das Landgericht keine Registerauszüge in Augenschein genommen und beruft sich zum Beweis dafür auf das Hauptverhandlungsprotokoll vom 6. Juni 2008. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, die Rüge scheitere an einem insoweit unzureichendem Vortrag, da nicht mitgeteilt worden sei, dass der Inhalt der türkischen Registerauszüge nicht auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei.
Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen, in die der Senat aufgrund der gleichzeitig erhobenen Sachrüge Einblick nehmen darf, ausdrücklich ausgeführt , die Überzeugung von der wahren Identität der Angeklagten ergebe sich aus den in Augenschein genommenen türkischen Registerauszügen.
Diese Rüge greift auch durch. Dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 6. Juni 2008 in seiner ursprünglichen Form ist zu entnehmen, dass eine Inaugenscheinnahme der Registerauszüge nicht erfolgt ist. Damit ist der Verfahrensverstoß bewiesen. Die Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls (§ 274 StPO) erstreckt sich auch darauf, ob eine Inaugenscheinnahme tatsächlich stattgefunden hat oder nicht (BGH NStZ 1995, 19; 2002, 219; NStZ-RR 99, 37). Das Urteil beruht auch auf diesem Fehler. Die Angeklagte selbst hat sich nicht zur Sache eingelassen. Ausweislich der Urteilsgründe folgte die Überzeugung der Kammer von der wahren Identität der Angeklagten einzig aus der - nach dem Protokoll nicht erfolgten - Inaugenscheinnahme der Registerauszüge.
An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich auch nichts durch den der Akte zu entnehmenden weiteren Verfahrensgang, der sich wie folgt darstellt:
Mit Verfügung vom 4. August 2008 übersandte die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Rüge der Verletzung des § 261 StPO die Akten dem Landgericht mit der Bitte um Prüfung , ob ggfls. eine Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls dahin in Betracht komme, dass die türkischen Registerauszüge in Augenschein genommen worden seien.
Daraufhin verfügte die Strafkammervorsitzende am 14. August 2008 :
"V
1. Vermerk: Ich bin mir sicher, dass wir ins Register gesehen haben.
2. U.m.A. Frau S.... (Protokollführerin= Zusatz des Senats) , Bl.721 haben Sie noch eine Erinnerung?"
Zu dieser Verfügung findet sich folgende Antwort
"zu 1 + 2 gen. 30.9.08 S..."
Darüber hinaus findet sich folgende Protokollergänzung auf Seite 3 des Hauptverhandlungsprotokolls :
"Die türkischen Registerauszüge lagen vor und wurden zu Beweiszwecken in Augenschein genommen gen. 30.9.2008 S..."
Am 7. Oktober 2008 erließ die Strafkammervorsitzende folgenden Beschluss:
" V In pp wird das Protokoll vom 06.06.2008 dahingehend ergänzt, dass die türkischen Registerauszüge in Augenschein genommen worden sind. Das Register ist in der Verhandlung in Augenschein genommen und erörtert worden. Dies ist versehentlich nicht im Protokoll vermerkt worden.
Landgericht Essen Strafkammer XIII
Essen, 07.10.2008 2.
Frau S.. mit der Bitte um Genehmigung des Beschlusses
3. Protokoll mit dem Berichtigungsbeschluss verbinden und der Verteidiger erneut zustellen
4 u.m.A. der StA
-hier-
zur Durchführung des Revisionsverfahrens".
Der Ziffer 2 dieser Verfügung vom 7. Oktober 2008 ist handschriftlich hinzugefügt: "ges. u. gen. 08.10.08 S."
Nach § 274 S. 1 StPO kann die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten (§ 273 Abs. 1...