Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang eines titulierten Unterhaltsanspruchs auf ein als Anstalt öffentlichen Rechts organisiertes Jobcenter in Nordrhein-Westfalen; Erteilung der Vollstreckungsklausel
Leitsatz (amtlich)
Beantragt in Nordrhein-Westfalen ein kommunales Jobcenter als Anstalt öffentlichen Rechts (§ 3 SGB II-AG NRW) die vollstreckbare Ausfertigung eines Unterhaltstitels, so ist die Rechtsnachfolge offenkundig i.S.v. § 727 ZPO. Denn sie ergibt sich unmittelbar aus § 76 Abs. 2 SGB II. Eines gesonderten Nachweises der Rechtsnachfolge im Einzelfall bedarf es nicht.
Normenkette
ZPO § 727; SGB II § 33; SGB § 76 Abs. 3; SGB IIAG NRW § 3
Verfahrensgang
AG Hamm (Beschluss vom 19.03.2014; Aktenzeichen 30 FH 9/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28.3.2014 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hamm vom 19.3.2014 aufgehoben. Das Verfahren wird an das AG - Familiengericht - Hamm zurückverwiesen.
Das AG wird angewiesen, über den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu entscheiden.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 28.3.2003 hat das AG - Familiengericht - Hamm zugunsten des Kindes T, geb. am ... 2001, Unterhalt gegen den Antragsgegner festgesetzt. Die Stadt I hat dem Kind T in der Folgezeit Hilfe nach dem SGB II geleistet. In Höhe des titulierten Unterhaltsanspruches sind die Ansprüche des Kindes T deshalb in der Folge übergegangen. Die Stadt I hat in der Zeit von Januar 2010 bis März 2013 monatlich jeweils 282 EUR gezahlt, insgesamt einen Betrag von 10.998 EUR.
Mit Wirkung zum 1.7.2013 hat die Stadt I eine Anstalt öffentlichen Rechts, das Kommunale Jobcenter I AöR, gegründet. In der hierzu bekannt gemachten Satzung heißt es unter § 2 Abs. 6 der Satzung:
"Vollstreckungsmaßnahmen werden von der Stadt I durchgeführt."
Mit Antrag vom 15.4.2013 hat die Stadt I die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung über einen Betrag i.H.v. 10.998 EUR gegen den Antragsgegner beantragt. Mit weiterem Schreiben vom 2.8.2013 hat die nunmehrige Antragstellerin, das Kommunale Jobcenter I AöR, mitgeteilt, das kommunale JobCenter der Stadt I sei durch das Kommunale Jobcenter I, Anstalt öffentlichen Rechts, ersetzt worden; dies solle beachtet werden.
Das AG Hamm hat die Antragstellerin am 16.8.2013 aufgefordert, einen Nachweis über die Rechtsnachfolge zu erbringen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Rechtsnachfolge ergebe sich aus § 76 Abs. 3 SGB II. Die Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts basiere auf § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGB II für das Land NRW (AG-SGB II NRW) und habe die vollständige Aufgabenübertragung der zuvor dem zugelassenen kommunalen Träger zugewiesenen Aufgaben zur Folge. Eines gesonderten Nachweises der Rechtsnachfolge bedürfe es daher nicht.
Das AG - Familiengericht - Hamm hat den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zurückgewiesen.
II. Die gegen die Entscheidung des AG - Familiengericht - Hamm eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.
Dem Gläubiger steht, wenn eine Klausel nicht erteilt wird, nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Das Rechtsmittel ist auch begründet.
Nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 727 ZPO kann eine vollstreckbare Ausfertigung für den Rechtsnachfolger des in dem Beschluss bezeichneten Gläubigers erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge bei Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird.
Ursprünglicher Inhaber der Forderung war das Kind T. Durch Hilfeleistung an das Kind sind die Forderungen gegen den Antragsgegner zunächst auf die Stadt I übergegangen. Der entsprechende Nachweis der Rechtsnachfolge auf die Stadt I ist durch die zu den Akten gereichte, monatlich spezifiziert aufgeschlüsselte beglaubigte Aufstellung (Bl. 2 d.A.) erbracht. Insofern ist anerkannt, dass eine solche Aufstellung des Trägers der Sozialhilfe eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 418 ZPO darstellt (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1983, 141; OLG Hamm FamRZ 1981, 915; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 125).
Die Rechtsnachfolge auf die Kommunale Jobcenter I AöR ist offenkundig. Rechtsnachfolger des Gläubigers sind sowohl dessen Gesamtrechtsnachfolger als auch dessen Sonderrechtsnachfolger, gleichgültig, ob die Rechtsnachfolge kraft Rechtsgeschäft, kraft Staatsaktes oder kraft Gesetzes eintritt (vgl. Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl. 2012, Rz. 13). Die bekannt gemachte Satzung hat ausdrücklich auf § 3 AG-SGB II NRW Bezug genommen; das in Bezug genommene Gesetz dient der Umsetzung der Regelungen des SGB II, § 1 AG-SGB II NRW. Nach § 76 Abs. 3 SGB II tritt der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform. Nach dem Zweck des § 76 Abs. 3 SGB II soll entsp...