Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis im Inland. Wohnsitzbegriff

 

Leitsatz (amtlich)

Wird dem Fahrerlaubnisinhaber im Inland die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen, ihm jedoch nach Ablauf der zugleich bestimmten Sperrfrist in einem EU-Mitgliedsstaat eine neue Fahrerlaubnis erteilt, so ist diese im Inland ohne förmliches Anerkennungsverfahren grundsätzlich anzuerkennen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedsstaat herrührender unbestreitbarer Informationen seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte.

 

Verfahrensgang

AG Plettenberg (Aktenzeichen 9 Ds - 871 JS 1418/11 - 143/12)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird unter Aufrechterhaltung der in den Urteilsgründen unter Ziff. I 5 und II getroffenen Feststellungen, soweit diese sich nicht auf den Wohnsitz des Angeklagten beziehen, aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Urteilsaufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Plettenberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Plettenberg hat den Angeklagten, den das Amtsgericht Plettenberg mit Urteil vom 23. Oktober 2008, rechtskräftig seit dem 29. Januar 2009, wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung, Nötigung im Straßenverkehr und Beleidigung unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt und dem es gleichzeitig die Fahrerlaubnis unter Verhängung einer Sperrfrist bis zum 28. Oktober 2009 entzogen hatte, durch Urteil vom 14. Mai 2013 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60,00 Euro verurteilt.

In den Urteilsgründen hat das Amtsgericht unter Ziff. II u.a. folgendes festgestellt:

"[...] Am 16.05.2012 befuhr der Angeklagte mit dem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen der Marke W mit dem amtlichen Kennzeichen #-## #### unter anderem den C-Weg in Q. Der Angeklagte verfügt lediglich über eine tschechische Fahrerlaubnis (Nr. 890325/3678), welche am 01.08.2011 in N Q ausgestellt wurde. Einen Antrag auf Anerkennung der tschechischen Fahrerlaubnis hatte der Angeklagte zu den Tatzeiten noch nicht gestellt. Auch hat er keine behördlichen Informationen dahingehend eingeholt, ob er mit der tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland fahren darf. Der Angeklagte hat einen Zweitwohnsitz in Tschechien, wo er auch ein Geschäft betreibt. Ferner ist der Angeklagte seit dem Jahr 1998 durchgängig in Plettenberg gemeldet. Bereits am 16.08.2010 (unanfechtbar seit dem 21.09.2010) war dem Angeklagten nach Ablauf der Sperrfrist aus der Verurteilung des Amtsgerichts Plettenberg vom 23.10.2008 die Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde versagt worden."

Zur Beweiswürdigung ist in dem angefochtenen Urteil u.a. ausgeführt:

"Die Feststellungen beruhen auf dem glaubwürdigen Geständnis des Angeklagten [...]. Der Angeklagte hat eingeräumt, die Fahrzeuge an den fraglichen Tagen geführt zu haben. Auch sei ihm bekannt gewesen, dass im Hinblick auf die Fahrt vom 20.10.2011 ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen ihn läuft und es Probleme mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis gibt. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass er mit der tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland fahren dürfe. [...]"

Zur rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Angeklagte den tschechischen Führerschein zwar erst nach Ablauf der Sperrfrist erworben habe, er aber dennoch nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigt sei, weil sich aus §28 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ergebe, dass für das Gebrauchmachen von der tschechischen Fahrerlaubnis die vorherigen Erteilung einer entsprechenden Genehmigung seitens deutscher Behörden erforderlich sei.

Der Angeklagte hat das fristgerecht und zunächst unbestimmt eingelegte Rechtsmittel ebenfalls fristgerecht zur (Sprung-)Revision bestimmt und mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet. Hierzu hat er insbesondere angeführt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Anerkennung einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis nicht von behördlichen Maßnahmen im Inland abhängig gemacht werden dürfe.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 8. August 2013 ebenfalls beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen.

II.

Die zulässige (Sprung-) Revision hat mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Das Urteil ist in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen (fahrlässigen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG nicht.

Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Deutschland richtet sich nach § 28 FeV, n...

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