Leitsatz (amtlich)
Bei der Anfechtung durch den leiblichen Vater ist zu beachten, dass das Kind, anders als bei der zwischenzeitig aufgehobenen Behördenanfechtung, nicht vaterlos gestellt wird, sondern seinen biologischen Vater zum rechtlichen Vater erhält. Maßgeblich ist deshalb, ob zwischen dem Kind und seinem Vater eine sozial gehaltvolle, verfassungsrechtlich schützenswerte Beziehung besteht. Diese wird nicht schon dadurch begründet, dass der rechtliche Vater formell und finanziell die Verantwortung trägt. Daneben ist auch in tatsächlicher Hinsicht eine Betreuungs- oder sonstige Verantwortungsübernahme festzustellen.
Verfahrensgang
AG Münster (Beschluss vom 12.11.2014) |
Tenor
Die Beschwerden der Kindesmutter und des Beteiligten M gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Münster vom 12.11.2014 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte nach einem Verfahrenswert von 2.000,00 EUR auferlegt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Vaterschaft für das Kind D, geb. am ... 2011.
Alle Beteiligten stammen aus Guinea. Der rechtliche Vater (M) lebt seit den 90-er Jahren in Deutschland. Seit dem Jahr 2000 ist er mit einer Deutschen verheiratet, wohnt mit seiner Frau aber nicht mehr zusammen. Die Kindesmutter ist Ende 2010 als Asylbewerberin nach Deutschland gekommen. Der Antragsteller ist ebenfalls als Asylbewerber nach Deutschland eingereist.
Nach ihrer Ankunft in Deutschland Ende 2010 hatte die Kindesmutter zunächst eine Beziehung mit dem Antragsteller, deren Dauer zwischen den Beteiligten streitig ist. Noch vor der Geburt des Kindes D erkannte M mit notarieller Urkunde vom 05.09.2011 seine Vaterschaft an; zudem gaben er und die Mutter eine gemeinsame Sorgeerklärung ab. Der Junge erhielt den Namen seines rechtlichen Vaters. Unter dem 29.11.2011 unterzeichnete M eine Urkunde über die Verpflichtung zum Unterhalt, in der er sich zur Zahlung von 28,10 % des Mindestunterhalts verpflichtete.
Weder er noch der Antragsteller lebten in der Vergangenheit mit der Mutter und/oder dem Kind zusammen. Beide hatten jedoch zunächst regelmäßig Kontakt zu dem Kind, wobei der Umfang dieser Kontakte zwischen den Beteiligten streitig ist. Ende 2013 wurden die Kontakte zwischen dem Kind und dem Antragsteller seitens der Mutter unterbunden. Inzwischen hat sie einen neuen Lebensgefährten, mit dem sie zwar nicht zusammenlebt, von dem sie aber zwei weitere Kinder hat, die 2014 und 2015 geboren wurden.
Im Februar 2014 hat der Antragsteller dieses Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleitet.
Er hat erstinstanzlich beantragt festzustellen, dass nicht der Beteiligte M, sondern er der Vater des Kindes D, geb. am ... 2011, ist.
Die Kindesmutter und der Beteiligte M haben schon erstinstanzlich beantragt, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Das AG hat einen Verfahrensbeistand für das Kind bestellt, die Beteiligten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers sowie das Jugendamt angehört und ein Abstammungsgutachtens eingeholt. Nachdem dieses zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Vaterschaft des Antragstellers "praktisch erwiesen" ist, hat das AG in dem angegriffenen Beschluss vom 12.11.2014 festgestellt, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater M, sondern vom Antragsteller abstammt.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Kindesmutter und des Beteiligten M. Beide begründen ihre Beschwerde damit, dass entgegen der Annahme des AG eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater bestehe, welche eine Anfechtung des leiblichen Vaters ausschließe. Aufgrund der sprachlichen Barrieren (beide benötigen einen Dolmetscher) hätten die Eltern den Sachverhalt nicht richtig darstellen können. M habe das Kind entgegen den Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht nur zweimal im Monat besucht. Vielmehr habe er den Jungen in der Vergangenheit mindestens zweimal im Monat zu sich geholt und daneben Betreuungsleistungen in der Wohnung der Mutter übernommen.
Die Mutter erklärt, M sei mehrmals in der Woche gekommen, um sie und das Kind zu besuchen. Zudem verweist die Mutter darauf, dass das Kind bei einem Besuch des Verfahrensbeistands unstreitig "Papa" zu M gesagt habe. Der Umstand, dass sie anfangs auch Umgangskontakte des Antragstellers zugelassen habe, sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Antragsteller ein Cousin von ihr sei, insofern hätten Kontakte nur vor dem familiären Hintergrund stattgefunden.
Die Kindesmutter und der Beteiligte M beantragen, den Beschluss des AG Münster vom 12.11.2014 abzuändern und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er habe 2 ½ Jahre eine Beziehung zur Kindesmutter geführt und in dieser Zeit auch regelmäßigen Kontakt zu seinem Kind gehabt. Von einer Beziehung zwischen der Kindesmutter und M oder Übernachtungen des Jungen bei M habe er nie etwas mitbekommen. Die Beziehung zwischen ihm und der Kin...