Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen IV-2 StVK 100/20)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird - mit Ausnahme der Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung von Rechtsanwältin L als Pflichtverteidigerin und der Feststetzung des Gegenstandswerts - aufgehoben.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Betroffene befindet sich in der Unterbringung der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt X . Er nimmt dort an dem von der Anstalt eingerichteten Telekommunikationssystem teil. Am 07. Dezember 2019 beantragte der Betroffene die Freischaltung von 12 im einzelnen benannten Telefonnummern von Rechtsanwälten bzw. Rechtsanwaltskanzleien mit der Begründung, er benötige die Freischaltung der Rufnummern, um einen Rechtsbeistand in dem beim Landgericht Arnsberg geführten Verfahren V-1 StVK 165/19 zu finden. Eine Überwachung der Gespräche lehnte er ausdrücklich ab. Der Antragsgegner lehnte eine Freischaltung der Telefonnummern am 13. Dezember 2019 mündlich ab und begründete dies damit, der Betroffene habe nicht in die Überwachung der Telefonate eingewilligt und keine den Rechtsanwälten erteilte Vollmacht vorgelegt.

Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Betroffene zunächst die Verpflichtung des Antragsgegners zur Freischaltung der Telefonnummern begehrt. Nachdem ihm in dem Verfahren V-1 StVK 165/19 (LG Arnsberg) ein Rechtsbeistand beigeordnet worden war, hat er sein Begehren umgestellt und die Feststellung beantragt, dass es rechtswidrig gewesen sei, dass der Antragsgegner die Freischaltung der Telefonnummern abgelehnt habe.

Diesem Antrag hat die Strafvollstreckungskammer entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner habe die Freischaltung der Telefonnummern der Rechtsanwälte nicht von dem Bestehen eines Mandatsverhältnisses abhängig machen dürfen. Der Schutz des Verteidigungsverhältnisses erstrecke sich auch auf die Phase der Anbahnung, weil eine sachlich angemessene Verteidigerwahl nur dann möglich sei, "wenn die Sachkunde des Verteidigers gerade im Bereich der sehr spezifischen Verteidigung der Sicherungsverwahrung durch ein vertrauliches Gespräch überprüft werden" könne. Daher sei auch der Inhalt des Anbahnungsgesprächs einer Überwachung entzogen.

Gegen den Beschluss wendet sich der Leiter der Justizvollzugsanstalt X mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs und die allgemeine Sachrüge erhebt, und zu letzterer ausführt, die Strafvollstreckungskammer habe §§ 26, 28 SVVollzG NRW rechtsfehlerhaft ausgelegt. Der Gesetzgeber habe die Privilegien der Verteidigung bezüglich der Überwachung der Kontakte bzw. der Absehung von ebendieser erst ab einer entsprechenden Bevollmächtigung oder Beiordnung vorgesehen, was sich der amtlichen Gesetzesbegründung zum SVVollzG NRW entnehmen lasse.

Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Rechtsbeschwerde unter nähren Ausführungen beigetreten.

Der Betroffene hatte Gelegenheit zur Gegenäußerung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG), da der Fall Anlass gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften aufzustellen. Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen einem Sicherungsverwahrten, der an dem Telekommunikationssystem der Anstalt teilnimmt, ein Anspruch auf Freischaltung der Rufnummern von Rechtsanwälten ohne diesbezügliche Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben des § 26 Abs. 3 Satz 1 SVVollzG NRW, namentlich des Erfordernisses der Einwilligung des Sicherungsverwahrten in eine unregelmäßige Überwachung der Telekommunikation, zustehen kann, hat der Senat bislang nicht entschieden.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Der Antragsgegner hat die von dem Betroffenen begehrte Freischaltung der Telefonnummern von 12 Rechtsanwälten bzw. Rechtsanwaltskanzleien zu Recht unter Hinweis auf die fehlende Einwilligung des Betroffenen in die unregelmäßige Überwachung der unter Verwendung dieser Rufnummern angebahnten Gespräche abgelehnt. Dabei ergibt sich die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners (allein) aus den Besonderheiten der Teilnahme des Betroffenen an dem von der Vollzugsanstalt eingerichteten Telekommunikationssystem gem. § 26 Abs. 3 Satz 1 SVVollzG NRW. Die Frage, ob die Privilegierung des §§ 26, 28 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 SVVollzG NRW, wonach Telefongespräche mit Verteidigerinnen und Verteidigern nicht überwacht werden, nur für gerichtlich beigeordnete oder bevollmächtigte Verteidiger gilt oder ob bereits ein sog. Anbahnungsverhältnis von der Privilegierung erfasst wird, bedarf hingegen keiner Beantwortung und lässt der Senat ausdrücklich offen.

Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SVVollzG NRW kann U...

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