Leitsatz (amtlich)

Eine Verweisung, die sich mit einem zuständigkeitsbegründenden Rügeverzicht der beklagten Partei nicht befasst, kann unverbindlich sein.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Tenor

Sachlich zuständig ist das Landgericht N.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen der Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug und Feststellung in Anspruch, dass sie verpflichtet sei, ihm Ersatz zu leisten für Schäden, die ihm aus der Manipulation des Fahrzeugs entstanden seien.

1. Am 02.01.2013 bestellte der zu diesem Zeitpunkt noch in J wohnhafte Kläger bei der Autohaus I & X GmbH in J einen VW Passat Variant, erstzugelassen am 31.02.2012, mit einer Gesamtlaufleistung von 9.645 Kilometern für einen Kaufpreis von 30.687,87 EUR (Anlage K 1). Soweit aus der Akte ersichtlich, wurde das Fahrzeug unmittelbar nach der Bestellung vor Ort übergeben.

Mit der Behauptung, das Fahrzeug sei vom sog. Dieselskandal betroffen, trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück, nachdem seiner Darstellung nach eine Nachbesserung durch ein Update der Software der Elektronik des Fahrzeugs gescheitert war. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich zurückgelegten Fahrstrecke und einer Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern verlangte der zu diesem Zeitpunkt in W im Bezirk des Landgerichts N wohnhafte Kläger mit Schreiben vom 27.11.2017 bei einem Kilometerstand von ca. 85.000 von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 22.760,37 EUR und bot die Rückgewähr des Fahrzeugs an (Anlage K 2). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 12.01.2018 die geltend gemachten Ansprüche ab (Anlage K 3).

2. Die Klageschrift ist am 14.06.2018 beim Landgericht N eingegangen und der Beklagten am 05.07.2018 zugestellt worden (Bl. 49 d.A.).

Die Beklagte hat angekündigt, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen. Den Feststellungsantrag hält sie für unzulässig und die Klage im Übrigen für unbegründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten nicht zustehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 19.09.2018 Bezug genommen (Bl. 59 ff. d.A.).

Mit Verfügung vom 10.10.2018 hat das Landgericht N darauf hingewiesen, dass es sich für örtlich nicht zuständig halte. Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO sei nicht gegeben, da der Kläger einen Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht schlüssig vorgetragen habe. Aus seinem Vorbringen in der Klageschrift ergebe sich weder ein Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB noch aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB (Bl. 105 f. d.A.).

Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26.10.2018 mitgeteilt, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts N aus prozesswirtschaftlichen Gründen nicht gerügt werde (Bl. 113 d.A.).

Der Kläger hat die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht C beantragt (Bl. 115 d.A.).

Mit Beschluss vom 02.11.2018 hat sich das Landgericht N für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht C verwiesen (Bl. 116 d.A.).

Das Landgericht C hat sich seinerseits mit Beschluss vom 07.01.2019 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Landgericht N zurückverwiesen (Bl. 123 d.A.). Der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und daher nicht bindend, da sich das Landgericht N mit der Erklärung der Beklagten, seine örtliche Zuständigkeit nicht zu rügen, nicht auseinandergesetzt habe. Er hätte sich dazu äußern müssen, ob darin ein bindender Verzicht auf die Zuständigkeitsrüge zu sehen sei.

Das Landgericht N hat die Rücknahme der Sache mit Verfügung vom 12.02.2019 abgelehnt und dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über den Zuständigkeitskonflikt vorgelegt (Bl. 129 d.A.).

II. Sachlich zuständig ist das zuerst angerufene Landgericht N.

1. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt, wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben. Dies ist vorliegend der Fall, nachdem das Landgericht N mit seinem Verweisungsbeschluss vom 02.11.2018 zu erkennen gegeben hat, dass es ich für örtlich nicht zuständig hält, und daran, nachdem das Landgericht C mit Beschluss vom 07.01.2019 seine Zuständigkeit verneint hat, mit Verfügung vom 12.02.2019 festgehalten. Die beiden Beschlüsse und die letztgenannte Verfügung sind den Parteien bekanntgegeben und dadurch i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig geworden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.02.2013 - Y ARZ 507/12 - NJW-RR 2013, 764, 765, Rn. 5; Senat, Beschl. v. 18.03.2016 - 32 SA 8/16 - NZM 2016, 589, Rn. 3; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 34). Der Anwendungsbereich der Norm ist daher eröffnet.

2. Der Senat ist zur Entscheidung berufen. Nach § 36 Abs. 2 ZPO wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört, wenn das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bund...

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