Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde. Prostitution. Förderung. Tatbestandsmerkmal Dazu-Bringen
Leitsatz (amtlich)
Das Tatbestandsmerkmal "Dazu-Bringen" i.S. des § 232 StGB setzt voraus, dass der Erfolg der Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution auf die Einflussnahme des Täters zurückzuführen ist, er also den bislang nicht vorhandenen Entschluss der Frauen, der Prostitution nachzugehen, erst hervorruft, oder die Geschädigten von dem von ihnen gefassten Entschluss, die Prostitution aufzugeben oder in geringerem Maße auszuüben, abbringt.
Normenkette
StGB § 232
Verfahrensgang
StA Bochum (Entscheidung vom 31.10.2010) |
LG Bochum (Entscheidung vom 22.03.2010) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die den Beschwerdegegnern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft den Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 14. Januar 2010 vor, in Bochum in der Zeit von Mai 2009 bis 10. Juli 2009 gemeinschaftlich gewerbsmäßig Personen unter 21 Jahren zur Fortsetzung der Prostitution gebracht zu haben.
Der Anklagesatz enthält folgende Ausführungen:
"Ihnen wird folgendes zur Last gelegt:
Die Angeschuldigten ...sind Geschäftsführer bzw. Gesellschafter der ...., ....straße 35 in .... Unabhängig von ihrem gesellschaftsrechtlichen Status sind sie weisungsabhängig von dem Angeschuldigten Z.. In dieser Eigenschaft betreiben die Angeschuldigten durch die .......
Seit Mai 2009, zumindest bis zum 10.07.2009 gingen in diesem Bordell die Zeuginnen ....geb. am xx.xx.1990, ......geb. am xx.xx.1988, und ..... geb. am xx.xx.1989, der Prostitution nach.
Die Angeschuldigten handelten, um sich durch die Vermietung der Zimmer an diese Prostituierten eine dauerhafte Einkommensquelle von nicht unerheblichem Umfange zu verschaffen."
Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift ist u.a. ausgeführt, Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB sei allein das Alter des Opfers, das dessen Schutzwürdigkeit begründe. Darauf, ob sich das Opfer in einer Schwächesituation befinde oder sexuell noch unerfahren ist, komme es nicht an. Unter Berücksichtigung dieses Schutzzweckes sei zur Erfüllung des Tatbestandes jede Handlung ausreichend, die es Prostituierten unter 21 Jahren ermögliche, der Prostitution nachzugehen. Die Vermietung der Zimmer ermögliche den Zeuginnen, dort der Prostitution nachzugehen, was für die Verwirklichung des Tatbestands ausreichend sei.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 22. März 2010 hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Bochum die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. In den Gründen des Beschlusses heißt es:
"I.
Den Angeschuldigten wird mit der im Tenor genannten Anklage zur Last ge-legt, in der Zeit von Mitte Mai 2009 bis 10.07.2009 gemeinschaftlich gewerbs-mäßig Personen unter 21 Jahren zur Fortsetzung der Prostitution gebracht zu haben, Verbrechen gem. §§ 232 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 3, 25 Abs. 2 StGB. Sie sollen gemeinsam ein Bordell in Bochum betrieben haben und dort in der Tatzeit Zimmer an drei seinerzeit noch nicht 21 Jahre alte Prostituierte ausländischer Herkunft vermietet haben. Diese sollen dann dort der Prostitution nachgegangen sein.
II.
Die Entscheidung beruht auf §§ 203, 204 StPO. Die Anklage war aus rechtli-chen Gründen nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Das aktenkundige Er-gebnis der Ermittlungen erfüllt keinen Straftatbestand. Die Angeschuldigten haben die drei oben genannten Prostituierten nicht im Sinne von § 232 StGB zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution gebracht.
Das Tatbestandsmerkmal des "dazu Bringens" des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB ist einschränkend auszulegen. Für eine Strafbarkeit wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB ge-nügt nicht schon jedes Angebot, die Prostitution ausüben zu können. Es ge-nügt dementsprechend nicht, gewerblich Zimmer zur Vermietung an Prostitu-ierte anzubieten; vielmehr muss der Täter ein solches Angebot an eine be-stimmte, unter 21 Jahre alte Person herantragen. Erfolgt dies, entfällt die Strafbarkeit aber dennoch, wenn die Person schon vor Unterbreiten des An-gebotes zur Ausübung der Prostitution entschlossen war und diesen Ent-schluss frei getroffen hatte.
1.
In der Literatur wird vereinzelt die Auffassung vertreten, das Merkmal des "dazu Bringens" im Sinne des § 232 Absatz 1 Satz 2 StGB sei einschränkend dahin auszulegen, dass eine mit einer gewissen Hartnäckigkeit erfolgte Ver-anlassung des Opfers im Wege "kommunikativer Beeinflussung" erforderlich sei (Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Bd., 2006, § 232 Rz. 24 f.).
Das obige Tatbestandsmerkmal wird in der Literatur überwiegend unter Hin-weis auf die Gesetzgebungsgeschichte in einem weiten Sinne verstanden. Jede Art kausaler Veranlassung soll ausreichen, auch ein Bestimmen auf-grund zutreffender Information und freier Entscheidung (Fischer, Strafgesetz-buch, 57. Aufl. 2010, § 232 Rz. 16, 8; Eisele in Schö...