Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlender Eröffnungsbeschluss. Formerfordernis. Formularbeschluss. Verfahrenshindernis. Einstellung des Verfahrens im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Formerfordernissen bei Abfassung des Eröffnungsbeschlusses.
2. Bei unvollständiger Ausfüllung eines formularmäßigen Vordruckes ist der Eröffnungsbeschluss nur dann ordnungsmäßig erlassen, wenn sich die fehlenden Teile aus den ausgefüllten Teilen des Vordruckes, auch z.B. aus einer evtl. anschließenden Terminsverfügung, unzweideutig ergänzen lassen.
Normenkette
StPO § 207 Abs. 1, § 354 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 47 Ns 30/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Unna hatte den Angeklagten mit Urteil vom 12.01.2016 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Die hiergegen gerichtete, in der Hauptverhandlung vom 11.04.2016 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision hat Erfolg, da eine wirksame Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt worden und deshalb das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 354 Abs. 1 StPO einzustellen ist (vgl. BGH StV 2011, 457, [...]).
1.
Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Mit Anklageschrift vom 11.06.2015 (255 Js 1171/15) erhob die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage hinsichtlich der vorliegend insbesondere abgeurteilten Tat vom 19.05.2015.
Der zunächst zuständige Strafrichter des Amtsgerichts Kamen verfügte am 26.06.2015 die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Mit Beschluss vom 14.09.2015 übernahm das Amtsgericht Unna - Schöffengericht - dieses Verfahren unter dem Aktenzeichen 103 Ls 150/15.
Hinsichtlich der zweiten vorliegend abgeurteilten Tat vom 02.11.2014 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund (922 Js 394/15) mit Verfügung vom 24.07.2015 unter Übersendung eines diesbezüglichen Entwurfs bei dem Amtsgericht Kamen zunächst den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Dem entsprach das Amtsgericht Kamen nicht, da ausweislich eines Vermerks vom 31.07.2015 nicht ohne Hauptverhandlung entschieden werden sollte.
Mit Beschluss vom 09.09.2015 übernahm das Amtsgericht Unna - Schöffengericht - dieses Verfahren unter dem Aktenzeichen 103 Ls 145/15; zugleich mit der diesbezüglichen Beschlussausausfertigung wurden dem Angeklagten und seinem Verteidiger auch Abschriften des Strafbefehlsantrags ohne die beantragte Rechtsfolge zugestellt.
Mit Beschluss vom 06.10.2015 wurden die beiden vorgenannten Verfahren durch das Amtsgericht Unna zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 103 Ls 110 Js 582/15 - 150/15 weitergeführt.
Sodann befindet sich in der Akte (Bl. 85 GA) folgendes teilweise ausgefüllte und vom Vorsitzenden des Schöffengericht am 10.11.2015 unterzeichnete Formular:
2.
Dies genügt nicht, um den nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung wesentlichen Förmlichkeiten eines grundsätzlich schriftlich abzufassenden und zu unterzeichnenden Eröffnungsbeschlusses zu genügen. Danach ist die Verwendung von Vordrucken, auch wenn sie den Eröffnungsbeschluss mit einer Terminsbestimmung und einer Ladungsverfügung kombinieren, zwar grundsätzlich zulässig. Sie müssen jedoch eindeutig abgefasst und vollständig ausgefüllt werden (vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 2009, 288, [...], -zu einem annähernd gleichgelagerten Sachverhalt-; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.05.2008 - 1 Ws 142/08 -, [...]; BayObLG NStZ-RR 2001, 139; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 207 Rn. 15; LR-Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 34; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 207 Rn. 8). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall, weil sowohl ein Aktenzeichen als auch die Personalien der Person fehlen, gegen die das Verfahren geführt wird. Bei unvollständiger Ausfüllung eines unterschriebenen Vordrucks ist der Eröffnungsbeschluss hingegen nur dann ordnungsmäßig erlassen, wenn sich die fehlenden Teile aus den ausgefüllten Teilen des Vordrucks, auch einer anschließenden Terminsverfügung, unzweideutig ergänzen lassen. Bl. 85 d.A. ist jedoch aus sich heraus nicht verständlich, so dass nicht hinreichend dokumentiert ist, in welchem Verfahren das Hauptverfahren eröffnet wurde; allein die handschriftliche Eintragung des Datums der Anklageschrift genügt nicht (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 6).
Zu keinem anderem Ergebnis führt der Umstand, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts am selben Tag (was die Bezifferung d...