Leitsatz (amtlich)
1. Ein im Eigentum des Antragstellers stehender Personenkraftwagen ist bei Beurteilung eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe als einzusetzendes Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO anzusehen, soweit nicht Anhaltspunkte für dessen Unverwertbarkeit nach § 90 Abs. 2, 3 SGB XII vorliegen oder eine Verwertung aus anderen Gründen unzumutbar ist.
2. Die Veräußerung eines Personenkraftwagens stellt dann eine Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 SGB XII dar, wenn der Antragsteller aufgrund von Erkrankungen spezielle Mobilitätsbedürfnisse hat und daher nicht generell auf die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs verwiesen werden kann. Zur Beantwortung der Frage, bis zu welcher Ausstattung bzw. Wertgrenze die Haltung eines Kraftfahrzeugs anerkennungsfähig ist, ist der unbestimmte Begriff der Angemessenheit in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II heranzuziehen.
Normenkette
ZPO §§ 114-115; SGB II § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; SGB XII § 90 Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 12.06.2013; Aktenzeichen 106 F 138/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 4.7.2013 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Essen vom 12.6.2013 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind rechtskräftig sei dem 10.7.2008 geschiedene Eheleute.
Die Beteiligten schlossen am 4.11.2009 im Verfahren 106 F 186/08, AG Essen, einen Vergleich dahingehend, dass sich der Antragsgegner verpflichtete, an die Antragstellerin Unterhalt i.H.v. 674,46 EUR monatlich ab dem 1.8.2008 zu zahlen.
Die Antragstellerin hat behauptet, seinerzeit seien eine Hypothekenrate i.H.v. 302,27 EUR und eine Darlehensrate i.H.v. 181,08 EUR vom anrechnungsfähigen Einkommen des Antragsgegners in Abzug gebracht worden. Der Antragsgegner zahle indes nicht mehr die Hypothekenrate und ebenfalls nicht mehr die Darlehensrate. Auch zahle er nicht mehr laufende Nebenkosten für die gemeinsame Eigentumswohnung, so dass sich dessen Abzüge erheblich vermindert hätten. Sie hat gemeint, dass der geschlossene Vergleich dahingehend abzuändern sei, dass der Antragsgegner zu verpflichten sei, ihr monatlich ab dem 1.4.2013 einen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 1.858 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Sie sei überdies bedürftig. Der ursprünglich an ihren Sohn verschenkte Pkw - Nissan - sei von ihrem Sohn zurückübereignet worden; indes sei sie auf die Nutzung dieses Fahrzeugs angewiesen. Der weitere von ihr genutzte Pkw - Mini - sei bereits seit geraumer Zeit aufgrund eines Defektes nicht fahrbereit und sie könne die Reparaturkosten i.H.v. 1.011,50 EUR mangels eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht aufbringen.
Die Antragstellerin hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen entsprechenden Verpflichtungsantrag begehrt.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat gemeint, dass der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bereits wegen fehlender Bedürftigkeit zu verwehren sei. Überdies habe sich sein monatlich bereinigtes Nettoeinkommen deswegen deutlich reduziert, weil er zum 1.1.2013 als Agenturleiter ausgeschieden und lediglich noch als Handelsvertreter tätig sei. Er verfüge damit über ein Nettoeinkommen i.H.v. 960,31 EUR monatlich.
Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Antragstellerin nicht bedürftig sei. Sie sei nicht erwerbstätig und könne ihre beiden Kraftfahrzeuge zur Finanzierung der Verfahrenskosten veräußern.
Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt, das AG habe verkannt, dass sie seit Mai 2013 Leistungen nach dem SGB II erhalte. Überdies habe sie - was gerichtsbekannt sei - einen Grad der Behinderung von 40. Wie sich aus dem ärztlichen Attest vom 6. 20.8.2008 ergebe, dürfe sie keine Lasten von mehr als 10 kg heben oder tragen. Insofern sei sie zur Erledigung von
Arztbesuchen und Einkäufen auf ihr Fahrzeug angewiesen. Sofern der Pkw Mini betroffen sei, sei dieser aufgrund eines Defektes nicht fahrbereit; sie müsse zur Reparatur 1.011,50 EUR aufwenden, was ihr indes mangels eigener finanzieller Leistungsfähigkeit nicht möglich sei.
Das AG - Familiengericht - Essen hat mit am 9.7.2013 erlassenen Beschluss der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit der ergänzenden Begründung vorgelegt, dass die Sozialhilfe nur vorläufig bewilligt sei, mithin noch weitere Ermittlungen nötig seien. Überdies könne die Antragstellerin auch ohne die beiden Kraftfahrzeuge einkaufen gehen und Ärzte aufsuchen.
II. Die nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet
1. Die Antragstellerin ist nicht bedürftig.
a) Zutreffend verweist das AG zwar darauf, dass auch Vermögen in Form von realisierbaren Ansprüchen mit Vermögenswert einzusetzen ist (vgl. Reichling, in: Vorwerk/Wolf, Beck'scher Online-Kommentar, ZPO, Stand: 15.4.2012, § 115 Rz. 48).
b) Wie den Beteiligten aus den Verfahren des Senats II-2 UF 213/12, II-2 WF 19/12, II...