Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollzug: Arbeitsentgelt für die Zeit der Freistellung gemäß § 33 StVollzG NRW auch bei nachfolgender Beschäftigungslosigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wie bei § 42 Abs. 1, Abs. 3 StVollzG (Bund) ist auch für § 33 Abs. 1 S. 1 StVollzG NRW davon auszugehen, dass der Anspruch eines Gefangenen auf bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht grundsätzlich bereits mit der Erfüllung der Ansparzeit entstanden ist und sein nachträglicher Fortfall infolge Beschäftigungslosigkeit allein unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung bzw. eines Verstoßes gegen Treu und Glauben bei beharrlicher Arbeitsverweigerung in Betracht kommt.
2. Von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung des Betroffenen ist nicht auszugehen, wenn er gegen seinen Willen von der Arbeit abgelöst wurde, er gerichtlich gegen diese Ablösung vorgegangen ist und hierbei ein Verschulden des Betroffenen am Verlust seines Arbeitsplatzes nicht belegt und seine Ablösung auch nicht als Ausdruck bzw. Folge einer beharrlichen Arbeitsverweigerung bewertet wurde.
Normenkette
StVollzG § 42 Abs. 1, 3; StVollzG NRW § 33 Abs. 1; StVollzG NRW § 33 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 19.06.2018; Aktenzeichen 33 m StVK 279/18) |
Tenor
Dem Betroffenen wird kostenfrei Wiedereinsetzung in vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 19.06.2018 gewährt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss sowie die Bescheide der Justizvollzugsanstalt B vom 27.02.2018 und vom 28.02.2018 hinsichtlich der Freistellungsanträge des Betroffenen vom 10.02.2018, 15.02.2018, 19.02.2018, und 22.02.2018 werden aufgehoben. Die Vollzugsbehörde wird verpflichtet, das Arbeitsentgelt für die 20 Freistellungstage zu beziffern und dem Betroffenen auszuzahlen, die diesem für die von ihm bis zum 09.02.2018 geleistete Arbeit zustehen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der seit dem 11.09.2007 inhaftierte Betroffene befindet sich seit dem 13.03.2012 in der JVA B, wo er seit dem 13.02.2014 in der Anstaltsküche als erster Koch beschäftigt war. Nachdem die Antragsgegnerin bei der Sichtkontrolle der Post eines anderen ebenfalls in der Anstaltsküche beschäftigten Strafgefangenen Kenntnis davon erlangt hat, dass dieser am 19.01.2018 einen Betrag in Höhe von 1.250,00 € auf ein auf den Namen des Betroffenen laufenden Kontos überwiesen hatte, wurde der Betroffene gegen seinen Willen am 09.02.2018 vorläufig und am 21.02.2018 endgültig von der Arbeit in der Küche abgelöst. Seither erhält der Betroffene kein Arbeitsentgelt mehr. Während der Zeit seiner Beschäftigung hatte er ausweislich der Feststellungen des angefochtenen Beschlusses die Voraussetzungen für eine Gewährung von 20 Freistellungstagen im Sinne des § 33 Abs. 1 StVollzG NRW erfüllt.
Mit Bescheiden vom 27.02.2018 und vom 28.02.2018 hat die Antragsgegnerin vier auf den Zeitraum vom 10.02.2018 bis zum 22.02.2018 datierte Anträge des Betroffenen auf Gewährung dieser Freistellungstage mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller derzeit nicht arbeite und eine Freistellung daher nicht mehr möglich sei.
Den hiergegen gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer am 19.06.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer insbesondere ausgeführt, dass sich aus der Gesetzesbegründung sowie aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 1 StVollzG NRW ergebe, dass ein Freistellungsanspruch eine Beschäftigung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Freistellungstagen voraussetze. Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte sowie der Schutz durch Arbeitsleistung erworbener Ansprüche gemäß Art. 14 Abs. 1 GG gebiete vorliegend keine andere Betrachtung, da der Betroffene schuldhaft von der Arbeit abgelöst worden sei, er es also selbst in der Hand gehabt habe, seine Ablösung von der Arbeit zu verhindern.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er in erster Linie anstrebt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm das bei der Gewährung von 20 Freistellungstagen zustehende Arbeitsentgelt auszuzahlen.
Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrund als unzulässig zu verwerfen.
II.
Die - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde war gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da der für die Entscheidungen über Rechtsbeschwerden in Strafvollzugssachen landesweit allein zuständige Senat bisher nicht entschieden hat, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 1 StVollzG NRW Freistellungstage bzw. gemäß § 33 Abs. 4 StVollzG NRW das diesbezügliche Arbeitsentgelt auch dann zu gewähren sind, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Freistellungstagen keiner A...