Leitsatz (amtlich)
1. Gem. § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG müssen Behörden seit dem 01.01.2022 bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln.
2. Ist dies aus vorübergehenden Gründen nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, § 14 b Abs. 1 Satz 2 FamFG.
3. Corona Bonuszahlungen sind als erhöhtes Kindergeld einzustufen, das auch steuerrechtlich so behandelt wird und auf das § 1612b Abs. 1 BGB unmittelbar anzuwenden ist mit der Folge, dass der Kindergeldbonus wie das Kindergeld hälftig zugunsten des unterhaltspflichtigen Elternteils zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch dann, wenn übergeleitete Ansprüche nach dem Unterhaltsvorschussgesetz geltend gemacht und der Corona Bonus im Rahmen der Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt worden ist.
4. Ein Unterhaltsschuldner ist, wenn er nicht im Einzelfall die Unzumutbarkeit darlegt, grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten.
5. Vorteile und Nachteile des Insolvenzverfahrens sind dabei im jeweiligen Einzelfall insgesamt gegeneinander abzuwägen.
Normenkette
BGB § 1612b Abs. 1; UVG § 7 Abs. 1; ZPO §§ 130a, 130b, 130c, 130d
Verfahrensgang
AG Wetter (Aktenzeichen 5 F 231/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wetter vom 18.08.2022, Az.: 5 F 231/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab dem 01.01.2024 an das antragstellende Land monatlichen Unterhalt in Höhe von 187,24 EUR aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach dem UVG für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, wohnhaft in X., zu zahlen.
2. Der Antraggegner wird verpflichtet, ab dem 01.01.2024 an das antragstellende Land monatlichen Unterhalt in Höhe von 187,24 EUR aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach dem UVG für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013, wohnhaft in X., zu zahlen.
3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2023 einen Betrag in Höhe von 1.903,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
4. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2023 einen Betrag in Höhe von 1.903,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013, aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt das antragstellende Land zu 80 % und der Antragsgegner zu 20 %.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 20.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist der Vater der ehelich geborenen Kinder B. M., geb. am 00.00.2010, und A. M., geb. am 00.00.2013. Die Kindeseltern trennten sich am 00.00.2019. Die Kinder verblieben nach der Trennung im Haushalt der Kindesmutter und werden dort von dieser versorgt.
Der Antragsgegner zahlt keinen Unterhalt für die Kinder, die seit Dezember 2019 Leistungen nach dem UVG erhalten entsprechend der Bewilligungsbescheide vom 20.10.2020. Unter dem 24.01.2020 erstattete die Unterhaltsvorschusskasse Rechtswahrungsanzeige, die dem Antragsgegner am 27.01.2020 zuging.
Im Zeitraum Dezember 2019 bis 17.04.2020 arbeitete der Antragsgegner bei der Firma T., bei der Firma S. und bei der Firma O., bei letzterer im Rahmen eines Minijobs. Nach der Kündigung zum 17.04.2020 aus wirtschaftlichen Gründen durch die Firma T. stockte der Antragsgegner seinen Arbeitsplatz bei S. zum 01.05.2020 auf eine Vollzeitstelle (40 Stunden monatlich) auf. Den Minijob bei O. übt er weiterhin alle zwei Wochen an den umgangsfreien Wochenenden aus.
Mit seiner Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin schloss der Antragsgegner im April 2018 einen Darlehensvertrag mit der R.-Bank über einen Nettodarlehensbetrag iHv 42.365,40 EUR. Das Darlehen soll in 115 monatlichen Zins- und Tilgungsraten in Höhe von jeweils 450,- EUR und einer Schlussrate iHv 428,16 EUR getilgt werden, beginnend ab dem 30.04.2018. Weiterhin schloss der Antragsgegner am 02.05.2019 gemeinsam mit seiner Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin einen J.bank Privatkredit ab über einen Nettodarlehensbetrag von 13.539,19 EUR. Dieser soll in 83 monatlichen Raten zu je 208,- EUR und einer Schlussrate iHv 178,77 EUR zurückgeführt werden ab dem 30.06.2019. Zudem verfügt der Antragsgegner über eine Kreditkarte bei der L., die jedenfalls am 20.10.2020 einen Sollsaldo iHv 1.913,84 EUR aufwies. Der Antragsgegner führte diesen mit monat...