Leitsatz (amtlich)
Beruht die Begrenzung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf der vollziehbaren behördlichen Anordnung eines nach § 61 Abs. 1 S. 2 AufenthaltsG ergangenen Auflage, so ist die Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar, sondern kann lediglich nach § 98 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG geahndet werden.
Verfahrensgang
AG Iserlohn (Entscheidung vom 12.09.2006) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendrichter - Iserlohn zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Iserlohn - Jugendrichter - hat dem Angeklagten durch Urteil vom 12. September 2006 wegen dreifachen Verstoßes gegen § 61 Aufenthaltsgesetz aufgegeben, nach Weisung des Jugendamtes der Stadt Hemer einen Sozialdienst von 100 Stunden zu verrichten.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten (Sprung-) Revision, mit der er unter näherer Begründung die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung beantragt.
II.
Die (Sprung-)Revision des Angeklagten ist frist- und formgerecht eingelegt worden und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2007 hierzu Folgendes ausgeführt:
"Die Feststellungen des Tatrichters tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Straftat gem. § 95 Abs. 1 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz. Diese Strafvorschrift gilt nur bei einem wiederholten Verstoß gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz, also gegen die Beschränkung des Aufenthaltes auf das jeweilige Land, nicht jedoch bei einem Verstoß gegen eine weitergehende Beschränkung nach § 61 Abs. 1 S. 2 Aufenthaltsgesetz. Bei einer weitergehenden Begrenzung des Aufenthaltsbereiches innerhalb eines Landes handelt es sich gem. § 61 Abs. 1 S. 2 Aufenthaltsgesetz um eine Auflage der Ausländerbehörde. Eine solche weitere Beschränkung fällt jedoch nicht unter den Begriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthaltes i.S. des § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz. Dies folgt aus der Systematik des Gesetzes, das erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz als Ordnungswidrigkeit nach § 98 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz ahndet, jedoch Verstöße gegen eine vollziehbare Anordnung gem. § 61 Abs. 1 S. 2 Aufenthaltsgesetz nach der gesonderten Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz. Da das Gesetz nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz als Straftatbestand ausweist, diese Regelung jedoch Verstöße gegen vollziehbare Auflagen nicht anrührt, erfasst die Strafnorm solche Verstöße nicht, so dass insoweit nur der Bußgeldtatbestand verwirklicht ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.10.2006 - 3 Ss 204/06 - m.w.N.). Hierfür spricht auch, dass ebenfalls das Asylverfahrensgesetz nur Verstöße gegen solche räumliche Beschränkungen unter Strafandrohung stellt, die es selbst statuiert, nicht aber Zuwiderhandlungen gegen darüber hinausgehende beschränkende Anordnungen der Verwaltungsbehörde (Karlsruhe, a.a.O.).
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und an das Amtsgericht Iserlohn zurückzuverweisen. Eine Schuldspruchänderung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit i.S. des § 98 Abs. 3 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz kommt nicht in Betracht, weil in dem Urteil genügende Feststellungen zu dem Inhalt der Auflage der Beschränkung des Aufenthaltsgebietes fehlt. Insbesondere schweigt das Urteil zu der Frage, ob die Auflage, die auf das Gebiet des Märkischen Kreises beschränkt ist, vollziehbar ist."
Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend auf die Rechtslage bei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz hin, sofern dieses vorliegend Anwendung finden sollte. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils sind insofern aber unvollständig - und bereits deshalb kann das Urteil keinen Bestand haben -, da ihnen nicht hinreichend deutlich zu entnehmen ist, ob über den Asylantrag des Angeklagten bereits rechtskräftig entschieden ist. Sollte dies nämlich nicht der Fall sein, so käme vorliegend das Asylverfahrensgesetz, insbesondere §§ 56 i. V. m. § 85 bzw. § 86 AsylVfG, und nicht das Aufenthaltsgesetz zum Tragen. Andernfalls, d.h. bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens, wofür vorliegend die Feststellung in dem angefochtenen Urteil, es bestehe "zur Zeit eine Duldung" sprechen könnte - wäre das Aufenthaltsgesetz mit den von der Generalstaatsanwaltschaft aufgezeigten rechtlichen Konsequenzen einschlägig. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung im Sinne des § 56 Abs. 1 AsylVfG bzw. des § 61 Abs. 1 AufenthG nicht erfordert, dass die Ahndung eine...