Leitsatz (amtlich)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung, wenn der Angeklagte auf die Auskunft seines Verteidigers vertraut, die dem Verteidiger aufgrund einer Erkrankung nicht mögliche Teilnahme an der Hauptverhandlung werde aufgrund der Tatsache, dass er als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei, zu einer Aufhebung des Hauptverhandlungstermins führen, der Angeklagte brauche daher zu dem anberaumten Termin nicht zu erscheinen.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 14.12.2009; Aktenzeichen 3 Ns 56/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die in diesem Verfahren dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts Bielefeld vom 20.05.2009 Berufung eingelegt. Termin für die Berufungshauptverhandlung wurde auf den 14.12.2009, 9.00 Uhr anberaumt. Ausweislich eines Vermerkes der Geschäftsstelle des Landgerichts Bielefeld teilte der Pflichtverteidiger des Verurteilten am 14.12.2009 um 8.15 Uhr telefonisch mit, dass er zum heutigen Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen könne, da er bettlägerig erkrankt sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung werde er noch im Laufe des Tages per Fax übersenden. Der Angeklagte erschien in der Hauptverhandlung nicht. Durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14.12.2009 wurde darauf hin gem. § 329 StPO die Berufung des Angeklagten verworfen, da der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei und auch nicht in zulässiger Weise vertreten gewesen sei. Zur Begründung ist ausgeführt, zwar habe der Verteidiger des Angeklagten fernmündlich mitgeteilt, er sei bettlägerig erkrankt; dies allein entschuldige das Ausbleiben des Angeklagten im Termin jedoch nicht, zumal keine nachvollziehbare Erklärung dafür vorliege, aus welchem Grund der Angeklagte selbst zum Termin nicht erschienen sei.
Der Verteidiger übersandte noch am 14.12.2009 eine ihn betreffende, von dem Zahnarzt H I1 in I ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 14.12.2009, die per Fax am selben Tage gegen 13.25 Uhr beim Landgericht Bielefeld eingegangen ist.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2009 beantragte der Pflichtverteidiger des Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung am 14.12.2009. Zur Begründung führt er aus, er habe am Sonntag, den 13.12.2009 an erheblichen Zahnschmerzen gelitten, die sich im Laufe des Sonntags derart gesteigert hätten, dass abzusehen gewesen sei, dass er Montag, den 14.12.2009 sofort morgens seinen Zahnarzt würde aufsuchen müssen. Er habe alsdann noch am Sonntag den Angeklagten angerufen und ihm mitgeteilt, dass er den Termin am Montag nicht wahrnehmen könne sowie, dass in Anbetracht der Tatsache, dass er als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei, infolge seiner Abwesenheit der Termin am Montag, dem 14.12.2009 aufgehoben werde und der Angeklagte deshalb nicht nach C fahren müsse. Nach dem erfolgten Zahnarztbesuch am Morgen des 14.12.2009 habe ihn sein behandelnder Arzt als dienstunfähig angesehen, was durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung beim Landgericht nachgewiesen worden sei.
Zur Glaubhaftmachung des vorgetragenen Sachverhalts nahm Rechtsanwalt I2 auf die seinem Schriftsatz beigefügte eidesstattliche Versicherung vom 18.12.2009 Bezug.
Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 30.12.2009 den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten zurückgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, allein aufgrund der Auskunft seines Verteidigers über eine vermeintliche zukünftige Vorgehensweise der Kammer auf eine - zudem nach der Darstellung des Verteidigers des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erfolgte - Mitteilung habe sich der Angeklagte, der über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens mit der Terminsladung belehrt worden sei, noch nicht sicher darauf verlassen dürfen, dass er tatsächlich bei Gericht nicht zu erscheinen brauche. Vielmehr hätte er sich bei dieser Sachlage am Morgen des Terminstages, zumal frühestens zu diesem Zeitpunkt etwas hätte durch die Strafkammer veranlasst werden können, zumindest durch eine telefonische Rückfrage bei Gericht vergewissern müssen, ob der Hauptverhandlungstermin stattfinden werde.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.
Dem Angeklagten war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gem. § 329 Abs. 3 StPO i. V. m. § 44 StPO zu gewähren, da ihn kein Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Berufungshauptverhandlung trifft. Allerdings war das Fernbleiben des Angeklagten am Hauptverhandlungstermin nicht s...