Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufnahme eines Studiums (erst) 5 Jahre nach dem Abitur steht der Verpflichtung zum Ausbildungsunterhalt nicht zwingend entgegen.
2. Ein eventuell einem (neuen) Ehegatten geschuldeter Familienunterhalt wird bei der Berechnung der Haftungsquoten der Eltern nicht berücksichtigt, sondern erst bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit.
Normenkette
BGB § 1610 Abs. 2, § 1606 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 15 F 757/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.220 EUR festgesetzt.
Gründe
Die 26-jährige Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner - ihrem Vater - Ausbildungsunterhalt für den Zeitraum ab März 2011.
Die Antragstellerin ist die am 12.2.1986 geborene eheliche Tochter des Antragsgegners und der Kindesmutter. Die Ehe der Eltern wurde 1990 geschieden. Die Antragstellerin lebte nach der Scheidung im Haushalt der Kindesmutter. Inzwischen wohnt sie in eigenem Haushalt mit ihrem Lebensgefährten.
Die Kindesmutter war Beamtin bei der U und befindet sich seit Ende 1998 im (Vor-)Ruhestand. Sie ist wieder verheiratet und hat aus der neuen Ehe einen am 13.5.1996 geborenen Sohn.
Der in Vollzeit erwerbstätige Antragsgegner hat eine weitere, am 5.9.1994 geborene, nichteheliche Tochter, der er Unterhalt zahlt. Er ist erneut verheiratet und lebt mit seiner erwerbstätigen Ehefrau in einer eigenen Immobilie.
Die Antragstellerin bestand im Juni 2005 ihr Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,6. Mit Schreiben vom 21.7.2005 informierte sie den Antragsgegner über ihre Absicht, ein Studium der Zahnmedizin aufzunehmen und auch darüber, dass sie für den Fall der Versagung eines Studienplatzes durch die ZVS vorab am 1.10.2005 eine studienvorbereitende Ausbildung antreten werde (Bl. 5 GA). Tatsächlich erhielt die Antragstellerin trotz jährlicher Bewerbungen bei der ZVS erst zum Wintersemester 2010/11 einen Zahnmedizin-Studienplatz.
In der Zwischenzeit absolvierte die Antragstellerin bis zum 13.7.2007 wie angekündigt eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Angestellten und arbeitete danach bis zur Zulassung zum Studium in diesem Beruf; mit verringerter Stundenzahl ist sie auch jetzt neben dem Studium im erlernten Beruf tätig. Während der Zeit bis zum Beginn des Studiums hat sie vom Antragsgegner keinen Unterhalt verlangt oder bekommen.
Erst mit Schreiben vom 6.3.2011 hat sich die Antragstellerin an den Antragsgegner gewandt und ihn gebeten, sich mit 170 EUR/mtl. an ihrem Unterhalt zu beteiligen.
Weil der Antragsgegner keine Zahlungen leistete, hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren eingeleitet, ihren Unterhalt - nach Anrechnung ihres neben dem Studium erzielten Eigeneinkommens - nach Quoten berechnet und den Anteil des Antragsgegners mit 230 EUR/Monat beziffert.
Der Antragsgegner ist dem Anspruch entgegengetreten und hat geltend gemacht:
Die Antragstellerin gehe auf seiner Seite von zu hohen Einkünften aus und vernachlässige ihn treffende finanzielle Belastungen.
Außerdem habe er nach über 5 Jahren fehlender Information durch die Antragstellerin nicht mehr damit gerechnet oder rechnen müssen, dass sie ihn noch einmal auf Unterhalt in Anspruch nehmen werde.
Im Übrigen habe die Antragstellerin einen Beruf erlernt und darin auch drei Jahre gegen Entgelt gearbeitet; sie könne und müsse ihren Lebensbedarf jetzt selber decken. Jedenfalls hätte sie während ihrer Berufstätigkeit im Hinblick auf den fortbestehenden Studienwunsch Rücklagen für die Studienzeit bilden müssen, die sie hätte für den Lebensbedarf verwenden können und müssen.
Das AG - Familiengericht - Siegen hat dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt sei dem Grunde nach gegeben. Dass die Antragstellerin vor Beginn ihres Studiums eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten absolviert habe, stehe dem nicht entgegen; die Ausbildung stehe in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Studium.
Auch der Höhe nach stehe der Antragstellerin der geltend gemachte Unterhaltsanspruch zu. Das Eigeneinkommen der Antragstellerin sei als überobligatorisch anzusehen und reduziere ihren Bedarf deshalb nicht.
Im Verhältnis zur Kindesmutter schulde der Antragsgegner 79,9 % des Gesamtbedarfs der Antragstellerin von 670 EUR. Leistungsfähig sei er i.H.v. 398 EUR/Monat, was deutlich mehr sei, als die Antragstellerin verlange.
Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft..
Ergänzend führt er aus: Die Antragstellerin habe ihre Bedürftigkeit nicht belegt. Ihre Nebeneinkünfte seien nicht überobligatorisch. Die Quote der Kindesmutter liege höher, als vom AG angesetzt, denn sie müsse aus einer Nebentätigkeit Einkommen erzielen. Außerdem werde die Kindesmutter von ihrem jetzigen Ehemann unterhalten und könne ihr Einkommen voll für den Barunterh...