Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollzug. Tragen eigener Kleidung der Strafgefangenen innerhalb der Anstalt sowie bei Ausführungen und Vorführungen. Erforderlichkeit einer Ermessensentscheidung im Einzelfall
Leitsatz (amtlich)
1. § 15 Abs. 1 S. 2 StVollzG NRW macht die im Ermessen des Anstaltsleiters stehende Gestattung des Tragens eigener Kleidung der Strafgefangenen innerhalb der Anstalt nicht davon abhängig, dass die Gefangenen über ausreichende finanzielle Mittel für die Reinigung bzw. Trocknung verfügen. Eine anstaltsinterne Regelung in Gestalt einer Allgemeinverfügung, die pauschal die Kostentragungspflicht der Gefangenen als Bedingung für die Erlaubnis angibt, private Kleidung innerhalb der Anstalt tragen zu dürfen, ist daher unzulässig; vielmehr muss bei der Entscheidung des Anstaltsleiters Raum für individuelle Lösungen im Rahmen einer Ermessensausübung im Einzelfall bleiben.
2. Erst recht erweist es sich angesichts der Regelung des § 15 Abs. 1 S. 3 StVollzG NRW, dass Gefangene bei Aus- und Vorführungen einen Anspruch auf das Tragen eigener Kleidung haben, sofern keine Entweichungsgefahr besteht, als fehlerhaft, einem Gefangenen den Empfang eines Pakets mit für Aus- und Vorführungen bestimmter privater Kleidung ausschließlich und ohne Ermessensausübung im Einzelfall mit der Begründung zu versagen, dass dem Gefangenen keine ausreichenden finanziellen Mittel für deren Reinigung zur Verfügung stehen.
Normenkette
StVollzG NRW § 15 Abs. 1 S. 2; StVollzG NRW § 15 Abs. 1 S. 3; StVollzG § 20 Abs. 2.
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 20 StVK 53, 74/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Die Bescheide des Leiters der Justizvollzugsanstalt Detmold vom 24. Mai 2018 betreffend die Aushändigung privater Kleidungsstücke, namentlich Turnschuhe, Jogger, Sportbekleidung und Badeschlappen, sowie vom 09. Juli 2018 betreffend die Einbringung eines Wäschepaktes werden aufgehoben.
Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Detmold wird angewiesen, den Betroffenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats jeweils neu zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der Betroffene verbüßt eine Haftstrafe u.a. wegen Diebstahls. Er befand sich zunächst in den Justizvollzugsanstalten Bielefeld-Brackwede, Schwerte und Hagen, derzeit befindet er sich in der Justizvollzugsanstalt Detmold.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. Juni 2018 begehrte der Betroffene die Aushändigung privater Kleidungsstücke aus der Habe, namentlich Turnschuhe, Jogger, Sportbekleidung und Badeschlappen, die ihm am 24. Mai 2018 (ausschließlich mündlich) verweigert worden war.
Mit weiterem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 02. August 2018 wandte sich der Betroffene gegen die am 09. Juli 2018 (gleichfalls ausschließlich mündlich erteilte) Versagung der Einbringung eines Wäschepaktes, welches er im Rahmen eines Besuchstermins am 04. Juli 2018 an Angehörige zur Reinigung übergeben hatte und welches "Terminwäsche" beinhaltete, die er nach eigenen Angaben für einen Gerichtstermin benötigte.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, sowohl die Aushändigung der privaten Kleidungsstücke, die er sämtlich bereits in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede angeschafft habe, als auch die Einbringung privater Wäschepakete nach Reinigung der Kleidung durch Angehörige, sei in sämtlichen Voranstalten problemlos erfolgt bzw. möglich gewesen.
Den Anträgen ist die Justizvollzugsanstalt Detmold jeweils entgegengetreten.
In Bezug auf den Antrag vom 11. Juni 2018 hat sie zur Begründung ausgeführt, soweit den Gefangenen gemäß § 15 Abs. 1 StVollzG NRW das Tragen eigener Kleidung gestattet werden könne, bedürfe dies einer vorherigen Prüfung, ob der Gefangene über ausreichende Gelder zum Erwerb von Waschmarken verfüge. Eine solche Prüfung sei bei Ankunft des Gefangenen nicht durchführbar, daher sei dem Betroffenen anstelle der begehrten eigenen Kleidungsstücke zunächst anstaltseigene Sportkleidung ausgehändigt worden.
Der begehrten Einbringung des Wäschepaktes ist die Justizvollzugsanstalt mit der Begründung entgegengetreten, gemäß § 15 Abs. 1 StVollzG NRW dürfe den Gefangenen das Tragen privater Kleidung zu Aus- und Vorführungen gestattet werden. Ungeachtet der Herausgabe privater Kleidung bei dem Besuchstermin am 04. Juli 2018 habe sich weitere private Kleidung des Betroffenen auf der Kammer befunden, die bei (Gerichts-)Terminen getragen werden könne. Vor diesem Hintergrund sei der Antrag auf Einbringung des Wäschepaktes am 09. Juli 2018 abgelehnt worden, da die Einbringung von Wäschepakten, soweit sie nicht der Erstausstattung dienten, in der Justizvollzugsanstalt Detmold untersagt sei, was in der für alle Gefangenen zugänglichen Hausordnung sowie in einem Aushang am schwarzen Brett der Abteilung niedergelegt und dem Betroffenen ferner mehrfach mündlich erk...