Leitsatz (amtlich)
1. Die Möglichkeit zur Beantragung von Verfahrenskostenhilfe steht jedem formell Beteiligten unabhängig davon zu, ob er durch das Verfahren auch in materiellen Rechten beeinträchtigt werden kann.
2. Gleiches hat dann auch für die Frage der Berechtigung zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe zu gelten.
Normenkette
FamFG § 7 Abs. 1, 3-4, §§ 38, 76 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Lennestadt (Aktenzeichen 4 F 206/22) |
Tenor
I. Die Sache wird auf den Senat übertragen (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 ZPO).
II. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 23.01.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lennestadt vom 02.01.2024 abgeändert.
Der weiteren Beteiligten M. wird für die erste Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt J. aus F. zur Wahrnehmung ihrer Rechte in jener Instanz beigeordnet.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27.10.2023 der Kindesmutter, die unter gesetzlicher Betreuung steht, das Sorgerecht für ihre Tochter N. entzogen.
Eingeleitet worden ist das Verfahren im August 2022 durch eine Anregung des Betreuers B., für das Kind eine Vormundschaft einzurichten.
Mit Schriftsatz vom 09.09.2022 meldete sich die Schwester der Kindesmutter, die weitere Beteiligte T. M., über einen Verfahrensbevollmächtigten zum Verfahren. Sie zeigte an, dass sie derzeit das Kind versorge und auch bereit wäre, das Kind in Verwandtenpflege zu nehmen.
Das Amtsgericht ordnete die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter und des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung an. Nachdem dieses Gutachten eingegangen war, bestimmte das Amtsgericht unter dem 08.09.2023 Termin und lud hierzu auch die weitere Beteiligte (GA 47 f.).
In dem Termin hat der Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten M. beantragt, seiner Mandantin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen; die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen werde er nachreichen (GA 73). Hierfür hat ihm das Amtsgericht eine Frist von 2 Wochen gesetzt.
Die entsprechende Erklärung ist - verspätet - mit Datum vom 26.10.2023 eingereicht worden.
Das Amtsgericht hat daraufhin durch Verfügung vom 30.11.2023 darauf hingewiesen, dass die Erklärung Unstimmigkeiten aufweise (Bl. 16 des VKH-Heftes). Insbesondere habe die weitere Beteiligte die Frage nach Einkommen verneint, gleichzeitig aber eine Verdienstbescheinigung zur Akte gereicht. Das Amtsgericht gab ihr deshalb auf, die Verdienstabrechnungen der letzten 6 Monate vorzulegen.
Da die weitere Beteiligte dem nicht nachkam, hat das Amtsgericht das Verfahrenskostenhilfegesuch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie darauf verwiesen hat, das vollständige Formular zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen werde "schnellstmöglich nachgereicht".
Weil das Formular aber bis zum 12.02.2024 weiterhin nicht eingegangen war, hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Unter dem 16.02.2024 ist sodann eine ergänzte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Akte gereicht worden.
II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 76 Abs. 2 ZPO statthaft.
Insbesondere ist die weitere Beteiligte beschwerdeberechtigt.
Dies ergibt sich vorliegend aus der formellen Beteiligtenstellung der Beschwerdeführerin im Sinne von § 7 FamFG.
a) Soweit § 59 Abs. 1 FamFG für die Beschwerdeberechtigung auf die Beeinträchtigung in materiellen Rechten abstellt, betrifft dies eine andere Konstellation. Denn dort geht es um die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung in der Sache. Hier hingegen geht es nicht um ein Rechtsmittel gegen den Entzug der elterlichen Sorge als solche, sondern um die Frage der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Die Möglichkeit zur Beantragung von Verfahrenskostenhilfe muss aber jedem formell Beteiligten offen stehen unabhängig davon, ob er durch das Verfahren auch in materiellen Rechten beeinträchtigt werden kann. Gleiches hat dann auch für die Frage der Berechtigung zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe zu gelten.
b) Die Beschwerdeführerin ist formelle Beteiligte.
Ihr Schriftsatz vom 09.09.2022 ist als Hinzuziehungsantrag im Sinne von § 7 Abs. 3 und 4 FamFG anzusehen. Ein solcher Antrag muss nicht ausdrücklich gestellt werden. Es genügt vielmehr, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass jemand am Verfahren mitwirken will (Sternal, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 7 Rn. 33). Dies ergibt sich hier im Wege der Auslegung aus dem Vorbringen in dem erwähnten Schriftsatz. Denn dort wird mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin als Verwandte...