Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, bemisst sich - ausgehend vom Nennwert der Forderung - nach den voraussichtlichen Vollstreckungsaussichten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefefreiung.
Normenkette
ZPO § 3; InsO § 184
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 13.02.2012; Aktenzeichen 1 O 237/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluss des LG Bielefeld vom 13.2.2012 abgeändert. Der Streitwert für das Verfahren vor dem LG wird auf 6.052,50 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 900 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des LG.
Mit der nach mündlicher Verhandlung zurückgenommenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass eine im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten angemeldete Forderung über 20.175 EUR auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe.
Das LG hat den Streitwert für dieses Verfahren auf 16.140 EUR festgesetzt, während der Kläger meinte, dieser müsse auf nur 6.052,50 EUR (= 30 % der ursprünglichen Hauptforderung bzgl. derer die Feststellung begehrt wurde) festgesetzt werde. Gegen den Beschluss des LG hat er sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat. Wegen der Einzelheiten der Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 23.2.2012 sowie auf den Schriftsatz vom 16.2.2012 verwiesen. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Es meint, ein Abschlag von nur 20 % von der Hauptforderung sei angemessen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl. 79 f. d.A. verwiesen.
Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten und beantragt, den Streitwert auf 16.140 EUR festzusetzen. Sie führt aus, dass die Erfolgsaussichten einer späteren Vollstreckung als hoch einzustufen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 4.4.2012 verwiesen.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 68 Abs. 1 GKG) und zulässig. Die erforderliche Beschwer des Klägers (§§ 68 Abs. 1 S. 3; 63 Abs. 3 S. 2 GKG) ist gegeben. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der Herabsetzung des Streitwerts (vgl. dazu Mayer/Kroiß RVG 5. Aufl., § 32 Rz. 42), da dies zu einer niedrigeren Gebührenlast führt.
Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, bemisst sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Wenn diese als nur gering anzusehen sind, kann ein deutlicher Abschlag vom Nennwert der Forderung angemessen sein. Diskutiert werden Abschläge von bis zu 80 % (BGH NJW 2009, 920; vgl. auch OLG Rostock Urt. v. 19.2.2007 - 3 U 65/06).
Gemessen daran ist hier ein Abschlag von 70 % - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerdegegnerin, der auf den rechtlichen Hinweis des Senats erfolgte - angemessen. Die Vollstreckungsaussichten bzgl. der Hauptforderung sind als ungünstig, wenn auch noch nicht als sehr schlecht zu bewerten. Für gewisse Vollstreckungsaussichten spricht, dass die Beklagte erst 34 Jahre alt ist und daher noch weite Teile ihres Berufslebens vor sich hat, so dass ihr zeitlich noch viel Möglichkeit zum Gelderwerb gegeben ist. Auch sind - so der Vortrag der Beklagten - keine weiteren Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung angemeldet. Die Restschuldbefreiung soll erteilt werden. Allerdings hat die Beklagte - ausweislich der PKH-Unterlagen, auf die sie sich im Beschwerdeverfahren berufen hat - derzeit ein so niedriges Einkommen, dass derzeit keinerlei Vollstreckungsmöglichkeit in ihr Einkommen besteht. Auch bei einem etwas höheren Einkommen wäre zu berücksichtigen, dass die die Beklagte einem derzeit elfjährigen Sohn unterhaltspflichtig ist. Dass die Beklagte konkrete Aussichtigen auf eine wesentlich besser bezahlte Tätigkeit hat, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Angesichts des Umstandes, dass sie ihren Sohn zu betreuen hat, erscheint das, auch unter Berücksichtigung des mit zunehmendem Alter abnehmenden Betreuungsaufwands nicht selbstverständlich. Angesichts der erheblichen Höhe der ursprünglichen Forderung erscheint es daher äußerst zweifelhaft, dass der Kläger nennenswerte Teile der Forderung wird vollstrecken können.
III. Die Nebenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 2994875 |
NZI 2012, 6 |
ZInsO 2012, 1638 |
AGS 2012, 351 |
HRA 2012, 24 |
RVG prof. 2012, 128 |
VIA 2012, 53 |