Entscheidungsstichwort (Thema)
Volksverhetzung. böswillig verächtlich machen. verleumden. Böswilligkeit. Menschenwürde. Vergleich mit Schimpansen. Intelligenzquotient. politische Diskussion. Zuwanderung. Fachkräfte. Beweiswürdigung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Tatbestandsmerkmal der Böswilligkeit in § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat strafbarkeitseinschränkende Funktion und ist zu bejahen, wenn die Äußerung aus feindseliger Gesinnung in der Absicht zu kränken (im Kernbereich der Persönlichkeit der Betroffenen) getätigt wird.
2. Die Beweiswürdigung des Tatrichters muss sich grds. auch auf das Merkmal der Böswilligkeit i. S. v. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erstrecken und sich ggf. auch mit nachvollziehbaren Anliegen des Angeklagten im Rahmen der Diskussion um ein aktuelles politisches Thema, seinen Erkenntnisquellen und der Fähigkeit zu deren zutreffender Bewertung auseinandersetzen.
Normenkette
StGB § 130
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 022 Ns 48/22) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
V.
Das Amtsgericht Minden hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verteilte der Angeklagte in der Nacht vom 00. auf den 00.00.2020 an mindestens 30 Haushalte in seiner Nachbarschaft in V. vor- und rückseitig eng beschriebene DIN A4 Zettel durch Einwurf in die Briefkästen. In dem - hier stark zusammengefassten - Text, der zahlreiche Fehler in Rechtschreibung und Zeichensetzung aufweist und den der Angeklagte im Internet gefunden hatte, wird ein Bezug zwischen der Diskussion um Fachkräftenachwuchs und dem Intelligenzquotienten bestimmter Zuwanderergruppen bzw. Völker hergestellt. So liege der Intelligenzquotient bei einzelnen Zuwanderergruppen in Deutschland nur bei 85, in einigen anderen Ländern sei er noch niedriger, während er bei Asiaten viel höher sei. In dem Schriftstück wird auch erwähnt, dass man in Deutschland ab einem IQ von 80 als lernbehindert gelte und ein Schimpanse einen IQ von 50 habe. Es wird angezweifelt, dass Zuwanderer aus Herkunftsgruppen mit vorgeblich niedrigem IQ zur Ausübung hochqualifizierter Tätigkeiten wie Arzt, Rechtsanwalt oder Pilot in der Lage seien. Auch ein Bezug zwischen Ethnie und Kriminalität wird hergestellt. Zuzug von asiatischen Einwanderern würde mehr nutzen als Zuwanderung aus anderen Ländern. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass "mit diesem Pamphlet" zum Ausdruck gebracht werde, dass "insbesondere die in Deutschland lebenden Personen mit Wurzeln im afrikanischen, arabischen und türkischen Raum dumm und kriminell und des Aufenthalts in Deutschland unwürdig seien. Aber auch die US-amerikanischen Bürger afrikanischer Abstammung wie auch die in ihren Herkunftsländern lebenden Menschen arabischer Abstammung [würden] als minderbemittelt und im Gros kriminell herabgewürdigt". Auf diese Weise würden "die den genannten Ethnien zugehörigen Menschen böswillig verächtlich gemacht und so in ihrer Menschenwürde angegriffen". Weiter heißt es im angefochtenen Urteil: Der Angeklagte, der diese Aussagen guthieß, verteilte die Pamphlete in der Absicht, die Empfänger zu der Erkenntnis zu bringen, dass der Aufenthalt, bzw. Zuzug von Menschen der genannten Ethnien ein Problem für die deutsche Gesellschaft darstelle, und machte sich diese Äußerungen damit zu eigen. Er handelte dabei in einer Weise, die geeignet war, das psychische Klima in der Bevölkerung in Richtung Fremdenfeindlichkeit aufzuhetzen und so den öffentlichen Frieden zu stören. Zugleich hatte er das Schreiben als Datei auf einem Computer in seiner Wohnung gespeichert und hielt es für eine weitere Verwendung vorrätig".
Das Landgericht hat das Geschehen als Volksverhetzung in der Tatvariante nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB (böswillig verächtlich machen) gewertet. Daneben hat es die Tatbestandsalternativen des Verbreitens solcher Inhalte nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. c StGB und § 130 Abs. 2 [Nr. 2] 4. Alt. StGB (vorrätig halten), jeweils in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, bejaht und ausgeführt, dass diese hinter § 130 Abs. 1 StGB zurücktreten. Es hat das Vorliegen dieser weiteren Alternativen aber strafschärfend gewertet.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
IV.
Die zulässige Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin g...