Leitsatz (amtlich)
Wird die Zahlung eins Geldbetrages durch den überlebenden Elternteil an eines von mehreren Kindern mit der notariell beurkundeten Regelung verbunden, die Zahlung erfolge "als Ausgleich für die Pflichtteilsansprüche" nach dem verstorbenen Elternteil, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass dieser Zahlung ein ernsthaft und bewusst gestelltes Pflichtteilsverlangen zugrunde liegt, das den Bedingungseintritt einer Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst hat.
Normenkette
BGB §§ 2075, 2269
Verfahrensgang
AG Warburg (Beschluss vom 29.10.2012; Aktenzeichen 6 VI 161/12) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 2) hat dem Beteiligten zu 1) etwaige im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 70.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die nach den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Beteiligte zu 2) ist von der Erbfolge nach seinem Vater ausgeschlossen, weil er nach dem Tod seiner zuerst verstorbenen Mutter die Pflichtteilsstrafklausel nach Ziff. 4) des gemeinschaftlichen Testaments seiner Eltern vom 3.3.2010 (UR-Nr. 176/2010 des Notars L) ausgelöst hat ("Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteilsanspruch geltend machen, so erhält dieses Kind nach dem Tod des Überlebenden ebenfalls lediglich den Pflichtteilsanspruch").
Eine Pflichtteilsstrafklausel, wie sie hier das Testament vom 3.3.2010 enthält, ist eine typische letztwillige Anordnung, durch die gemeinschaftlich testierende und sich gegenseitig als Erben und ihre Abkömmlinge als Schlusserben einsetzende Ehegatten sicherstellen wollen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert und ungestört verbleibt und dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird (OLG München FamRZ 2011, 1691; OLG München FamRZ 2008, 721; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 331; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 1175). Besteht - wie hier - die Rechtsfolge eines Verstoßes in dem Verlust der testamentarischen Zuwendung beim zweiten Erbfall, ist die Einsetzung zum Schlusserben unter eine auflösende Bedingung (§ 2075 BGB) für den Fall des Pflichtteilsverlangens nach dem Erstversterbenden gestellt, so dass mit dem Pflichtteilsverlangen die Einsetzung als Schlusserbe entfällt (OLG München und OLG Düsseldorf jeweils a.a.O.; Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl., § 2269 Rz. 15). Entsprechend der typischen Zielsetzung hatte nach den glaubhaften Angaben des Notars L der Vater der Beteiligten hier in einem Vorgespräch den Wunsch nach einem Schutz des überlebenden Ehegatten geäußert, weshalb die - standardmäßig formulierte - Verwirkungsklausel in das Testament aufgenommen wurde.
Nach dem üblichen Verständnis greift eine solche Klausel bereits dann ein, wenn der Schlusserbe in objektiver Hinsicht den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden ausdrücklich und ernsthaft fordert und in subjektiver Hinsicht dabei bewusst - in Kenntnis der Verwirkungsklausel - handelt (Senat, Beschl. v. 29.6.2012 - 15 W 310/11; Senat, Beschl. v. 28.3.2012 - 15 W 178/11; BayObLG FamRZ 1996, 440, 441; BayObLGZ 2004, 5 = ZEV 2004, 202; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 331; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 1175 [1176]; OLG München FamRZ 2008, 1118; OLG München FamRZ 2008, 721, 722; OLG München FamRZ 2011, 1691). Weitere subjektive Voraussetzungen, etwa ein bewusstes oder gar böswilliges Auflehnen gegen den Erblasserwillen, sind nicht erforderlich (BayObLGZ 2004, 5 = ZEV 2004, 202; OLG München FamRZ 2008, 721, 722; OLG München FamRZ 2011, 1691).
Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser und seine Ehefrau - also die Eltern der Beteiligten - diese Klausel in einem von dem üblichen Verständnis abweichenden engeren Sinn verstanden haben. Die (eingeschränkte) Abänderungsklausel zugunsten des überlebenden Ehegatten in Ziff. 3) des Testaments relativiert entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2) die anschließende gesonderte Verwirkungsklausel unter Ziff. 4) des Testaments nicht und lässt insbesondere nicht den Schluss zu, dass die testierenden Eheleute den mit der Pflichtteilsklausel bezweckten Schutz des überlebenden Ehegatten einschränken wollten.
Der Beteiligte zu 2) hat den Tatbestand der Verwirkungsklausel erfüllt. Der Senat hält es im Ergebnis für nachgewiesen, dass die notarielle Vereinbarung vom 12.4.2011 (UR-Nr. 378/2011 des Notars L) deshalb zustande gekommen ist, weil der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Beteiligten zu 1) als Vertreter des Erblassers nicht nur um eine Vorauszahlung auf seinen künftigen Erbteil nach dem Vater gebeten, sondern zur Bekräftigung seines Zahlungsbegehrens letztlich einen Anteil am Nachlass der vorverstorbenen Mutter verlangt hat. Da der Beteiligte zu 2) das Testament seiner Eltern kannte und somit auch wusste, dass er nicht Miterbe der Mutter war, stellte diese Forderung in der Sache das Verlangen des Pflichtteils...