Leitsatz (amtlich)
Über die Anträge auf Beratungshilfe sowie auf Vergütungsfestsetzug des Verfahrensbevollmächtigten hat dasjenige AG zu entscheiden, in dessen Bezirk der Rechtssuchende seinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eingangs der Anträge bei Gericht hat (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
Normenkette
BerHG § 4 Abs. 1 S. 1; RVG § 55 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Unna (Beschluss vom 16.04.2008; Aktenzeichen 5 II 417/08) |
Tenor
Das AG Unna wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe
I. Die damals im Amtsgerichtsbezirk N wohnhafte Beteiligte nahm im November 2007 Beratungshilfe durch Rechtsanwalt T in N in Anspruch, um weitere telefonische Belästigungen durch ihren Ehemann zu verhindern. Zum 1.1.2008 verzog sie nach G im Bezirk des AG V.
Mit einem beim AG N eingereichten Antrag vom 31.3.2008 hat die Beteiligte nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe beantragt. Gleichzeitig hat der Verfahrensbevollmächtigte die Festsetzung einer Vergütung i.H.v. 99,96 EUR für seine Tätigkeit gem. § 44 RVG (RVG-VV Nr. 2503, 7002, 7008) beantragt.
Das AG N, das sich für örtlich unzuständig hält, hat die Sache mit Verfügung vom 2.4.2008 an das AG V abgegeben. Das AG V hat seinerseits mit Beschluss vom 16.4.2008 die Übernahme der Sache abgelehnt und die Sache dem Senat zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt, weil es der bisherigen Rechtsprechung des Senats folgend (Beschl. v. 10.1.1995 - 15 Sbd 57/94 veröffentlicht Rpfleger 1995, 365; Beschl. v. 7.12.1998 - 15 Sbd 32/98 veröffentlicht AnwBl. 2000, 58) für die Frage der örtlichen Zuständigkeit auf den Wohnsitz der Beteiligten im Zeitpunkt des Auftretens des Bedürfnisses für die Beratungshilfe abstellen will und damit das AG N als örtlich zuständig ansieht.
II. Der Senat ist nach den §§ 5 BerHG, 5 Abs. 1 Satz 1 FGG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor. Zwischen den beteiligten AG V und N besteht Streit darüber, welches der beiden Gerichte zur Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe sowie den Vergütungsfestsetzungsantrag örtlich zuständig ist. Für die beiden Gerichte ist das OLG Hamm das gemeinschaftliche obere Gericht, da sie zu verschiedenen Landgerichtsbezirken gehören.
In der Sache hat der Senat das AG V als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BerHG entscheidet über den Antrag auf Beratungshilfe dasjenige AG, in dessen Bezirk der Rechtssuchende seinen allgemeinen Gerichtsstand, also seinen Wohnsitz (§§ 13 ZPO, 7 BGB), hat. Dieselbe Zuständigkeit gilt nach § 55 Abs. 4 RVG für den Antrag auf Vergütungsfestsetzung des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten. Der Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 BerHG regelt nicht ausdrücklich, wie zu verfahren ist, wenn der Rechtssuchende nach der Inanspruchnahme von Beratungshilfe seinen Wohnsitz gewechselt hat. Der Senat hat durch Beschlüsse vom 10.1.1995 (Rpfleger 1995, 365) sowie 7.12.1998 (AnwBl. 2000, 78) entschieden, dass bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf den Wohnsitz des Antragstellers bei Auftreten des Bedürfnisses der Beratungshilfe abzustellen ist. Begründet hat er dies einerseits mit der durch § 133 Satz 3 BRAGO (eingeführt durch Art. 7 KostRÄndG 1994 vom 24.6.1995 (BGBl. I 1995, 1325) beabsichtigten Zuständigkeitskonzentration am Wohnsitzgericht des Rechtssuchenden und zum anderen mit der bestehenden Missbrauchsgefahr.
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung hält nicht länger fest und schließt sich der in der Rechtsprechung anderer Obergerichte (BayObLG JurBüro 1995, 366; OLG Zweibrücken JurBüro 1998, 197) vertretenen gegenteiligen Auffassung an, die maßgeblich auf den Wohnsitz des Rechtssuchenden im Zeitpunkt des Eingangs seines Antrags bei Gericht abstellt. Nach erneuter Überprüfung kann sich der Senat der Argumentation in den genannten Entscheidungen nicht verschließen, mit der hervorgehoben wird, der Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 BerHG gebe keinen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass von dem in gerichtlichen Verfahrensordnungen allgemein geltenden Grundsatz, dass zuständigkeitsbegründend die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung sind, abgewichen werden soll, zumal S. 2 der Vorschrift nur für einen hier nicht einschlägigen Sonderfall (fehlender inländischer allgemeiner Gerichtsstand des Antragstellers) eine solche abweichende Regelung ausdrücklich trifft. Die Abwehr möglicher Missbräuche durch eine mehrfache Inanspruchnahme von Beratungshilfe (§ 7 BerHG) wird nicht wesentlich dadurch erschwert, dass ein Wohnsitzwechsel zugleich zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines anderen AG führt. Denn der Wohnsitzwechsel ist regelmäßig aus den Antragsunterlagen ersichtlich und kann, wenn Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der von dem Antragsteller nach § 7 BerHG abzugebenden Versicherung besteht, zum Anlass einer Rückfrage bei dem für den bisherigen Wohnsitz des Antragstellers zuständigen AG genommen we...