Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 Ns 601 Js 33/13 (120/13)) |
Tenor
1.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist;
b) im Strafausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Herford hat den Angeklagten wegen Räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten, von der er die Nichtanwendung des § 64 StGB ausdrücklich ausgenommen hat, hat das Landgericht Bielefeld durch das nunmehr angegriffene Urteil verworfen.
Die zulässig erhobene und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte spätestens im Alter von 14 Jahren Haschisch und erstmals nach seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1993 auch Heroin. Wenig später war er abhängig. Sein weiteres Leben ist bis zum heutigen Zeitpunkt von dieser Sucht geprägt. Sie bestimmte bereits seit 1994 auch die Delinquenz des Angeklagten, der seither immer wieder Straftaten beging. Im Jahre 2003 unternahm er über § 35 BtMG erstmals einen Therapieversuch, den er allerdings nach zwei Wochen wieder abbrach. Darüber hinaus hat er bis zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung noch keinen weiteren ernsthaften Therapieversuch unternommen. Eine Therapie im Rahmen einer Unterbringung gemäß § 64 StGB konnte er sich nicht vorstellen, da er von Mitgefangenen nur Schlechtes hierüber gehört habe. Zwar wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im August 2007 angeordnet, aufgrund eines erneuten Drogenrückfalls Anfang Mai 2009 allerdings wieder aufgehoben.
Die Strafkammer hat die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung abgelehnt und bei der Beurteilung der Sozialprognose auf die zahlreichen Vorstrafen einerseits und auf das noch immer nicht abschließend behandelte Drogenproblem des Angeklagten andererseits abgestellt.
II.
1. Der Senat hat die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung von Amts wegen zu prüfen. Die - grundsätzlich zulässige - Beschränkung der Berufung ist vorliegend unwirksam, soweit die Nichtanwendung des § 64 StGB von ihr ausgenommen worden ist.
Die Entscheidung über die Nichtgewährung der Strafaussetzung beruht hinsichtlich der anzustellenden Sozialprognose des vorliegend unter Suchtdruck handelnden Angeklagten auf denselben Gesichtspunkten wie die Täterprognose bei der Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB. Damit sind diese Feststellungen doppelrelevant, womit eine rechtlich und tatsächlich selbstständige Beurteilung der angegriffenen Entscheidung über die Versagung der Strafaussetzung nicht losgelöst von der Entscheidung über die Unterbringung gemäß § 64 StGB möglich ist (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012, 2 StR 29/12; Fischer, StGB, 61. Aufl., 2014, § 64, Rz. 29).
2. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
a) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerhaft nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei dem Angeklagten eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB neben der Freiheitsstrafe anzuordnen war. Die von der Strafkammer angeführten Umstände legen einen Hang zum Missbrauch von Betäubungsmitteln im Sinne dieser Vorschrift nahe. Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte sich zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung selbst freiwillig für seinerzeit vier Tage einer Therapie unterzogen hat, erscheint eine solche auch nicht von vornherein aussichtslos.
b) Die unterlassene Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB führt auch zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch. Der Senat kann schon nicht ausschließen, dass die Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die Strafkammer dieVoraussetzungen des § 64 StGB bejaht und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Denn die Unterbringung kann sich im Einzelfall wie ein zusätzliches Strafübel auswirken und deshalb Rückwirkungen auf die Bemessung der Höhe der Strafe haben.
Fundstellen