Leitsatz (amtlich)
Allein der Umstand, dass einem Entbindungsantrag objektiv hätte entsprochen werden müssen und somit ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht hätte ergehen dürfen, begründet die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Verfahrensgang
AG Coesfeld (Entscheidung vom 31.05.2011; Aktenzeichen 3 b OWi 89 Js 2282/10) |
Tenor
Auf die Gegenvorstellungen des Betroffenen vom 8. Juni 2011 gegen den Senatsbeschluss vom 31. Mai 2011 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. Juli 2011 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG beschlossen:
Auf die Gegenvorstellungen wird der Senatsbeschluss vom 31. Mai 2011 aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 18. März 2011 wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen.
Gründe
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Coesfeld vom 14. September 2010 als Führer eines Lastkraftwagens mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t wegen Nichteinhaltung des Mindestabstandes von 50 m bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf der Autobahn BAB A 43 eine Geldbuße von 80,00 Euroverhängt worden. Hiergegen hat er form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch ist durch das Amtsgericht Coesfeld in der Hauptverhandlung vom 18. März 2011 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen worden, weil der Betroffene der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben sei.
Sein dagegen gerichteter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist fristgerecht am 28. März 2011 eingelegt und ebenfalls fristgerecht am 29. März 2011 durch seinen Verteidiger begründet worden. Es ist u.a. die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt worden, weil das Amtsgericht einen rechtzeitig gestellten Antrag, den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, nicht zustimmend beschieden habe.
Der Senat hat durch Beschluss vom 31. Mai 2011 die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und zur erhobenen Verfahrensrüge ausgeführt, die Rechtsbeschwerdebegründung habe nicht ausreichend ausgeführt, dass der Verteidiger über die besondere Vollmacht verfügt habe, um einen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG für den Betroffenen wirksam stellen zu können.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Gegenvorstellungen des Betroffenen.
Die Gegenvorstellungen sind zulässig und begründet.
Es handelt sich vorliegend nicht, wie die Generalstaatsanwaltschaft in Ihrer Zuschrift vom 11. Juli 2011 ausgeführt hat, bei den Gegenvorstellungen um einen Antrag nach § 356 a StPO, denn der Senat hatte den Vortrag des Betroffenen in der Rechtsbeschwerdebegründung zur Kenntnis genommen und beschieden. Ein Fall, dass der Senat einen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat, liegt damit nicht vor. Bei erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage muss der Senat jedoch einräumen, die Anforderungen an den Vortrag des Bestehens einer besonderen Vollmacht für die Stellung eines Antrages nach § 73 Abs. 2 OWiG in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2011 überspannt zu haben. Mit der Darlegung, der Verteidiger habe über eine "Vertretungs- und Verteidigungsvollmacht" verfügt, liegt, entgegen der damals geäußerten Rechtsansicht, ein ausreichender Vortrag zu diesem Punkt vor. Andere Zulässigkeitsbedenken hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrüge bestehen nicht.
Da ein Rechtsmittel gegen den Senatsbeschluss vom 31. Mai 2011 nicht statthaft ist, ist der Senat befugt, auf die Gegenvorstellungen des Betroffenen seine fehlerhafte Entscheidung aufzuheben.
Die Rechtsbeschwerde, die zulässig begründet worden ist, war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, weil der Betroffene durch seinen Verteidiger rechtzeitig und wirksam vor der Hauptverhandlung einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt hatte und das Amtsgericht diesem Antrag nicht entsprochen, sondern unbeschieden gelassen hatte. Dabei ist unerheblich, ob das Amtsgericht den am Sitzungstag nur wenige Stunden vor der Hauptverhandlung per Fax eingegangenen Antrag überhaupt zur Kenntnis bekommen hat, was nach der Aktenlage eher zweifelhaft ist. Allein der Umstand, dass dem Antrag objektiv hätte entsprochen werden müssen und somit ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht hätte ergehen dürfen, begründet die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coesfeld zurückzuverweisen. Gründe, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, sind nicht ersichtlich. Das Amtsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden haben, da deren Erfolg noch nicht feststeht.
Fundstellen