Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung nicht verbrauchter Therapiezeiten auf verfahrensfremde Strafen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anrechnung im Sinne einer Verrechnung der nicht gemäß § 67 Abs. 4 StGB auf die Anlassstrafe anzurechnenden Zeiten des Maßregelvollzugs (hier Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB) ist in § 67 Abs. 6 S. 1 StGB gesetzlich nicht vorgesehen; sie kann in Ausnahmefällen gleichwohl erfolgen, wenn die Nichtanrechnung eine unbillige Härte bedeuten würde.
2. Eine unbillige Härte im Sinne von § 67 Abs. 6 S. 1 StGB und damit eine Anrechnung von Unterbringungszeiten auf verfahrensfremde Strafen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der bisherige Freiheitsentzug zwei Drittel der Summe der verhängten Freiheitsstrafen nicht erreicht oder ein Therapieerfolg überhaupt nicht gegeben ist. In diesen Fällen kommt es auf die übrigen Kriterien des § 67 Abs. 6 S. 2 StGB nicht (mehr) an.
3. Überschreitet der bisherige Freiheitsentzug zwei Drittel der Summe der verhängten Freiheitsstrafen, sind für die Annahme einer unbilligen Härte die weiteren Kriterien des § 67 Abs. 6 S. 2 StGB alternativ zu betrachten. Je geringer die Dauer des bisherigen Freiheitsentzuges im Verhältnis zur Dauer einer verhängten Freiheitsstrafe ist, umso höhere Anforderungen sind an die weiteren Kriterien des § 67 Abs. 6 S. 2 StGB zu stellen, namentlich der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten des Verurteilten im Vollstreckungsverfahren.
Normenkette
StGB §§ 57, 64, 67 Abs. 6 Sätze 1-2, § 67d; StPO §§ 454, 454b Abs. 3, §§ 462-463
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 3 StVK 126, 183,184,185/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 14. März 2014, Az. 39 KLs 45/13 (101 Js 693/13 StA Dortmund), wurde der Verurteilte wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet. Das Urteil ist seit dem 22. März 2014 rechtskräftig. Für die seit dem 28. Mai 2014 im LWL-Therapiezentrum N vollstreckte Maßregel war eine Höchstfrist bis zum 26. Mai 2018 notiert.
Nach den Feststellungen der Anlassverurteilung sowie den im Rahmen der Unterbringung getroffenen Diagnosen leidet der Verurteilte an psychischen und Verhaltensstörungen durch multiplen schädlichen Substanzgebrauch, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ und einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens. Wegen seines Alkohol- und Betäubungsmittelkonsums unterzog er sich in der Vergangenheit bereits mehrerer Entgiftungen und Entwöhnungsbehandlungen. Des Weiteren befand er sich wiederholt in stationärer psychiatrischer Behandlung in der LWL-Klinik E. Er ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sein Bundeszentralregisterauszug weist acht Eintragungen auf; hierbei ist er wiederholt wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten.
Neben der Anlassverurteilung sind für den Verurteilten Überhaftzeiten aus den folgenden Verurteilungen notiert:
Mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Dortmund vom 06. Juli 2010, Az. 601 Ls 186/08, wurde gegen ihn wegen Raubes, vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Besitzes von Betäubungsmitteln und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eine Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung wurde mit Beschluss des Jugendschöffengerichts Dortmund vom 13. Juni 2014 wegen neuerlicher Verurteilungen (Urteil des Amtsgerichts Meinerzhagen vom 28. Mai 2013 sowie Anlassverurteilung, vgl. Ziffern 7 und 8 des Bundeszentralregisterauszuges) widerrufen.
Am 14. Februar 2012, Az. 737 Ds 510/11, verurteilte das Amtsgericht Dortmund den Verurteilten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie Erschleichens von Leistungen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Beschluss vom 27. August 2014 widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund die Strafaussetzung zur Bewährung wegen erneuter Straffälligkeit (Urteil des Amtsgerichts Meinerzhagen vom 28. Mai 2013, vgl. Ziffer 7 des Bundeszentralregisterauszuges).
Weiter wurde der Verurteilte mit Urteil des Amtsgerichts Meinerzhagen vom 28. Mai 2013, Az. 2 Ds 285/12, wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Die letztgenannte Freiheitsstrafe wurde vor Vollstreckung der Maßregel anvollstreckt; insoweit ist eine Reststrafe von 51 Tagen notiert. Die beiden Verurteilungen des Amtsgerichts Dortmund vom 06. Juli 2010 und 14. Februar 2012 wurden - wenige Tage anzurechnender Freiheitsentzug ausgenommen - bisl...