Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsrücknahme. Zustimmungserklräung. Gegner. konkludente Erklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt es im Rahmen einer Berufungsbeschränkung nach Beginn der Hauptverhandlung an der notwendigen Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners, so kann diese auch konkludent abgegeben werden. Ohne weitere Anhaltspunkte kann das Schweigen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft aber nicht konkludent als eine solche Zustimmung gewertet werden. Lediglich ein fehlender Widerspruch der Staatsanwaltschaft, dass geladene Zeugen unvernommen entlassen werden oder das Fehlen von Beweisanträgen, die sich auf den Schuldspruch beziehen, könnten als konkludente Zustimmung gedeutet werden.

 

Normenkette

StPO §§ 303, 318

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Detmold hat (u.a.) den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Detmold eine Berufungshauptverhandlung durchgeführt. Nach Aufruf der Sache und Feststellung der Erschienenen erklärte der Verteidiger des Angeklagten: "Die Berufung wird auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt". Über etwaige Erklärungen des Angeklagten selbst und des Vertreters der Staatsanwaltschaft verhält sich das Sitzungsprotokoll nicht.

Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Es geht darin davon aus, dass das amtsgerichtliche Urteil in Folge der Rechtsmittelbeschränkung im Schuldspruch rechtskräftig geworden sei.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form rügt.

II.

Die Revision hat Erfolg.

1.

Das Urteil konnte keinen Bestand haben, da sich eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht feststellen lässt.

Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur: BGHSt 27, 70, 71 f.; OLG Hamm Beschl. v. 29.03.2007 - 3 Ss 105/07; OLG Hamm Beschl. v. 05.11.2007 - 3 Ss 461/07 = BeckRS 2007, 19132; Gössel in: Löwe-Rosenberg StPO 25. Aufl. § 328 Rdn. 18; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 352 Rdn. 4; Paul in KK-StPO 6. Aufl. § 318 Rdn. 11). Dabei wird nicht danach differenziert, ob es sich um die Prüfung von Verfahrenshindernissen handelt (die auf jeden Fall von Amts wegen geprüft werden), um die Prüfung der Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch (welche anhand des Inhalt der Urteile, die auf die Sachrüge hin zur Kenntnis zu nehmen sind) oder um die Prüfung von formalen Voraussetzungen, wie z.B. Ermächtigung des Verteidigers zur ggf. in der Beschränkung liegenden Teilrücknahme oder der ggf. nach § 303 StPO erforderlichen Zustimmung des Rechtsmittelgegners handelt. Auch hinsichtlich der letztgenannten Umstände, von denen das Revisionsgericht erst durch Nachschau in den Akten oder im Hauptverhandlungsprotokoll Kenntnis erlangen kann, wird eine Prüfung von Amts wegen, ohne das Erfordernis der Erhebung einer Verfahrensrüge, bejaht (vgl. BayObLG Beschl. v. 21.12.1993 - 4 StRR 143/03 - [...]; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 45).

Ist das Berufungsgericht zu Unrecht von einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung ausgegangen, so führt dies auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Hamm Beschl. v. 29.03.2007 - 3 Ss 105/07).

a.

Zur Aufhebung führt hier noch nicht, dass eine für die in einer Rechtsmittelbeschränkung in der Berufungshauptverhandlung liegende Teilrücknahme durch den Verteidiger erforderliche Ermächtigung des Angeklagten (§ 302 Abs. 2 StPO) hier nicht ersichtlich ist. Schweigt der in der Hauptverhandlung anwesende Angeklagte zu der Erklärung, durch welche dieser eine (teilweise) Rechtsmittelrücknahme - eine solche liegt in der Beschränkung des Rechtsmittels in der Berufungshauptverhandlung - erklärt, so ist darin eine Billigung dieser Erklärung zu sehen (vgl.BGH wistra 2002, 269; BayObLG NJW 1985, 754; Paul in KK-StPO 26. Aufl. § 320 Rdn. 22 und § 303 Rdn. 4).

b.

Zur Aufhebung führt aber, dass die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Berufungsbeschränkung fehlt. Damit ist die Rechtsmittelbeschränkung unwirksam.

Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen. Die Vorschrift gilt auch für die Rechtsmittelbeschränkung (Meyer-Goßner a.a.O. § 303 Rdn. 1 m.w.N.). Vorliegend hatte die Hauptverhandlung bereits begonnen (§§ 324 Abs. 1, 243 Abs. 1 StPO) als der Verteidiger die Rechtsmittelbeschränkung erklärte. Das Protokoll verhält sich zu einer Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht. Dadurch wird indes nur bewiesen, dass dieser keine ausdrückliche Zust...

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