Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 04.05.2011; Aktenzeichen 1 O 101/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungskläger wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 04.05.2011 abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits und die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 3.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst Bezug genommen auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss.

Mit Schreiben vom 21.04.2011 hatte die Verfügungsbeklagte dem Rechtsanwalt der Verfügungskläger unter anderem Folgendes mitgeteilt:

"Während der laufenden Abrissarbeiten (ab dem 27.04.2011) kann das Betreten des Grundstücksbereichs an der Grenzwand aus Sicherheitsgründen nicht gestattet werden. Wir empfehlen ihrer Mandantschaft dringend einen Sicherheitsabstand von mindestens 10 m einzuhalten."

In ihrem am 27.04.2011 beim Landgericht Essen eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung haben sie den Antrag angekündigt,

der Antragsgegnerin ≪…≫ einstweilen zu untersagen, den Besitz der Antragsteller an den Grundstücken …str. 5, 7, 9 und 11 in ….. F durch das Abbrechen oder Abbrechenlassen der Außenwand des Gebäudes zu beeinträchtigen, die sich auf der Grenze zwischen dem Grundstück …str. 62-64 ≪…≫ und den Grundstücken …str. 5, 7, 9 und 11 ≪…≫ befindet.

Am 03.05.2011 wurde die streitgegenständliche Mauer auf Veranlassung der Verfügungsbeklagten abgerissen, ohne dass es zu wesentlichen Schäden an den Grundstücken der Verfügungskläger kam. Die Mauer fiel auf das Grundstück der Verfügungsbeklagten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 04.05.2011 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits den Verfügungsklägern auferlegt. Der gestellte Antrag sei auch unter Berücksichtigung von § 938 Abs. 1 ZPO nicht hinreichend bestimmt. Ein auf Untersagung des Abrisses gerichteter Verfügungsanspruch bestehe nicht. Auf Grundlage des glaubhaft gemachten Grenzverlaufs habe die abgerissene Wand im Alleineigentum der Verfügungsbeklagten gestanden, die damit habe verfahren können, wie sie wolle. Es beständen Bedenken am Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht, da den Verfügungsklägern lediglich während des Abrisses die Nutzung ihres angrenzenden Grundstücks faktisch verwehrt sei. Dies müssten die Verfügungskläger aber nach § 24 NachbG NRW dulden, was die Verfügungsbeklagte zu Recht einredeweise geltend gemacht habe.

Hiergegen wenden sich die Verfügungskläger mit ihrer zulässigen sofortigen Beschwerde vom 30.05.2011. Der Antrag bezeichne die zu unterlassende Handlung so genau wie möglich. In dem am 21.04.2011 ausgesprochenen Nutzungsverbot liege eine verbotene Eigenmacht, die auch nicht gerechtfertigt sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Kosten des Rechtsstreits sind unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen gem. § 91a ZPO der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, da diese nach bisherigem Sachstand, hätte sich das einstweilige Verfügungsverfahren nicht erledigt, unterlegen wäre und auch keine Billigkeitsgesichtspunkte für eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache abweichende Kostenverteilung sprechen.

Der erstinstanzliche Antrag war insbesondere unter Berücksichtigung von § 938 BGB noch hinreichend bestimmt. Dass die Verfügungskläger trotz der insoweit vielleicht etwas unglücklichen Formulierung des Antrags nicht die Unterlassung des Abbruchs, sondern einer damit ggf. einhergehenden Besitzstörung begehren, ist dem Vortrag (insbesondere S. 2 des Schriftsatzes vom 02.05.2011) zu entnehmen; die in diesem Schriftsatz ebenfalls vorgetragene angebliche Eigentumsverletzung findet hingegen im gestellten Antrag keinen Niederschlag. Zum anderen liegt es in der Natur des Unterlassungsanspruchs, dass er nur schwer zu fassen sind, zumal grundsätzlich der Störer entscheidet, durch welche konkrete Maßnahme er die Unterlassung bewirkt.

Auch bestand auf glaubhaft gemachter Tatsachengrundlage ein Verfügungsanspruch gem. § 862 BGB. Dass es bis zur Einreichung des auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Schriftsatzes zu keiner Besitzstörung gekommen war, ist insoweit ohne Bedeutung. Ein Unterlassungsantrag besteht nicht nur bei Wiederholungsgefahr, also bei bereits erfolgter Beeinträchtigung, sondern auch bei einer erstmals drohenden Störung (Palandt/Bassenge, 2011, § 862 BGB Rn. 9). Eine solche Störung war angedroht worden durch das oben zitierte Schreiben vom 21.04.2011.

Im Rahmen der Prüfung, ob eine Besitzstörung drohte, ist grundsätzlich eine ex-ante-Perspektive einzunehmen. Auch nach nochmaliger Überprüfung der in der Verfügung vom 17.08.2011 geäußerten Auffassung bleibt das Beschwerdegericht dabei, dass sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Besitzstörung aus der zitierten Passage des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vom 21.04.201...

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