Leitsatz (amtlich)
1. Die Fahrerlaubnis kann auch noch in einem späteren Verfahrensabschnitt vorläufig nach § 111 a StPO entzogen werden. Bei einer vorläufigen Entziehung erst längere Zeit nach der Tatbegehung ist jedoch besonders sorgfältig die Einhaltung und Beachtung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes zu prüfen.
2. Verfahren, in denen dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist, sind beschleunigt zu führen.
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
Dem Angeschuldigten wird mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 4. September 2001 gewerbsmäßige Eingangsabgabenhinterziehung (§§ 369 Abs. 1 Ziffer 1, 370 Abs. 1 Ziffer 2; 373 Abs. 1, 375 Abs. 2 AO) zur Last gelegt. Gemeinsam mit mehreren Mittätern soll der Angeschuldigte als Kraftfahrer eines Lkw-Gespanns am 9. Januar 2001 rund 1, 5 Mio Zigaretten von Polen aus in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt haben, ohne diese bei den Zollbehörden anzumelden. Nach den Frachtpapieren sollen sich auf dem von dem Angeschuldigten geführten Lkw rund 18 t gefrorene Zwiebeln befunden haben. Es soll ein Steuerschaden von rund 1, 3 Mio DM entstanden sein.
Dem Angeschuldigten ist im Verfahren zunächst nicht die Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO vorläufig entzogen worden. Dies ist erst durch den angefochtenen Beschluss der Strafkammer am 6. November 2001 erfolgt. Hiergegen wendet sich der Angeschuldigte mit seiner Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, dass keine dringenden Gründe im Sinn des § 111 a StPO vorliegen. Zudem sei die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Das Landgericht ist zu Recht von dringenden Gründen im Sinn des § 111 a StPO für die Annahme, dass dem Angeschuldigten demnächst in einem Urteil die Fahrerlaubnis endgültig entzogen werden wird, ausgegangen. Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer beigefügten Stellungnahme vom 5. Dezember 2001 eingehend Stellung genommen. Auf diese nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, ausdrücklich Bezug und macht sie - nach eigener Prüfung - zum Gegenstand seiner Entscheidung. Insbesondere der zeitliche Ablauf des Transports und die Anbahnung des Geschäfts sprechen für die Annahme, dass allen Beteiligten bekannt war, dass nicht Zwiebeln, sondern unverzollte Zigaretten in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden sollten. Besonderes Gewicht hat auch das Verhalten der Mitangeschuldigten H. nach Sicherstellung des Lkws. Ihr Bestreben, möglichst schnell, einen anderen Spediteur für den Weitertransport der Ladung zu finden, spricht dafür, dass sie über die tatsächliche Ladung informiert war. Das gilt auch für den Angeschuldigten. Dass ihm als Fahrer nicht bekannt gewesen sein soll, dass er in Wahrheit Zigaretten und keine gefrorenen Zwiebeln von Polen nach Großbritannien transportierte, ist nach Überzeugung des Senats lebensfremd. Die Überprüfung der insoweit vom Verteidiger in der Beschwerdeschrift erhobenen Einwände muss der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.
2. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO ist auch - entgegen der Ansicht des Verteidigers - (zumindest derzeit noch) nicht unverhältnismäßig. Es entspricht einhelliger Meinung der Obergerichte, dass die Fahrerlaubnis auch noch in einem späteren Verfahrensabschnitt vorläufig nach § 111 a StPO entzogen werden kann (vgl. dazu u. a. OLG Koblenz VRS 67, 254; 68, 118; OLG Karlsruhe VRS 68, 360; OLG Düsseldorf NZV 1992, 331; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , 2001, § 111 a Rn. 3 mit weiteren Nachweisen; a. A. soweit ersichtlich nur LG Trier VRS 63, 210; LG Hagen NZV 1994, 334 und teilweise a. A. Kropp NStZ 1997 S. 471). Dieser Auffassung schließt sich der Senat grundsätzlich an. Bei einer (vorläufigen) Entziehung erst längere Zeit nach der Tatbegehung ist jedoch, da es sich bei § 111 a StPO um eine Eilentscheidung handelt, besonders sorgfältig die Einhaltung und Beachtung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes (vgl. dazu OLG Köln StV 1991, 248) zu prüfen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.
Dies führt vorliegend dazu, dass die Strafkammer das ihr eingeräumte Ermessen nicht verletzt hat, wobei dahinstehen kann, wann konkret der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in den Fällen der späten vorläufigen Entziehung vor allem berührt ist (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf NZV 1992, 331), verletzt ist. Der Senat übersieht insoweit nicht, dass die Fahrerlaubnis erst rund 10 Monate nach der am 9. Januar 2001 angeblich begangenen Tat entzogen worden ist. Dieser verhältnismäßig lange Zeitraum wird jedoch dadurch relativiert, dass die Ermittlungen erst Mitte August 2001 durch Übersendung des Schlussberichts des Zollfahndungsamtes Münster abgeschlossen werden konnten. Im Anschluss daran hat dann die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, die am 4. Oktober 2001 bei der Strafkammer eingega...