Leitsatz (amtlich)
Zwischen dem auf Rückabwicklung eines Autokaufs in Anspruch genommenen Kraftfahrzeughändler und dem insoweit auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Kraftfahrzeughersteller kann eine Streitgenossenschaft vorliegen, die eine Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ermöglicht. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 06.06.2018, Az. X ARZ 303/18).
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 11 O 370/17) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Münster bestimmt.
Gründe
I. Der in Bielefeld wohnhafte Kläger hat beim Landgericht Münster Klage eingereicht gegen ein in Oelde (gelegen im Bezirk des Landgerichts Münster) ansässiges Autohaus (Beklagte zu 1) und die in Wolfsburg ansässige W AG (Beklagte zu 2). Von der Beklagten zu 1 begehrt er die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen PKW Scoda Octavia Combi 1.6 TDI. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 begehrt er die Feststellung der Einstandspflicht für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren würden. Zur Begründung seiner Klage trägt er in groben Zügen Folgendes vor:
Der Kläger habe das Fahrzeug zum Kaufpreis von 17.800 EUR von der Beklagten zu 1 erworben. Er sei damals auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen, das die Voraussetzungen für die grüne Plakette erfülle. Die Informationen, die er von den Beklagten zum Schadstoffausstoß und zum Kraftstoffverbrauch erhalten habe, seien falsch gewesen; die Beklagten hätten insoweit gelogen. Die Beklagte zu 2 und die T a.s., die Herstellerin des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs, seien in einem Konzern verbunden, wobei die Beklagte zu 2 als Muttergesellschaft letztlich sämtliche Anteile an der T a.s halte. Die Beklagte zu 2 habe die manipulierten Motoren für den gesamten Konzern hergestellt. Die T a.s. habe keine Wahl gehabt, sondern habe diesen Motor verwenden müssen.
Die Beklagte zu 2 hat in ihrer Klageerwiderung die Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt. Eine Zuständigkeit gem. § 32 ZPO scheide aus, da nicht dargelegt sei, dass der Beklagten zu 2 eine unerlaubte Handlung vorzuwerfen wäre und dem Kläger im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts ein Vermögensschaden entstanden sei. Daraufhin hat der Kläger die Bestimmung der Zuständigkeit durch das Oberlandesgericht beantragt.
II. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO für die Gerichtsstandbestimmung zuständig: Das nächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis zu den Landgerichten Münster und Braunschweig wäre der Bundesgerichtshof; das im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm gelegene Landgericht Münster wurde zuerst mit der Sache befasst.
Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor (entsprechend in vergleichbaren Konstellationen bereits: Senat, Beschl. v. 11.12.2017 - 32 SA 62/17; OLG Köln, Beschl. v. 01.09.2017 - 8 AR 25/17 - jeweils zitiert nach juris).
Die Beklagten haben unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände gem. §§ 12, 17 ZPO in den Bezirken der Landgerichte Münster und Braunschweig. Ein gemeinsamer Gerichtsstand lässt sich auch unter Berücksichtigung besonderer Gerichtsstände nicht mit hinreichender Bestimmtheit feststellen. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 und die primär geltend gemachten deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 ist nicht zu erkennen. Für die gegenüber der Beklagten zu 1 geltend gemachten Ansprüche besteht kein besonderer Gerichtsstand beim Landgericht Braunschweig (allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 2). Ein besonderer Gerichtsstand für die gegen die Beklagte zu 2 geltend gemachten deliktischen Ansprüche und für Ansprüche aus der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens im Bezirk des Landgerichts Münster (allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 1) ist ebenso nicht zu erkennen: Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass der Handlungs- oder der Erfolgsort einer nach Auffassung des Klägers erfolgten unerlaubten Handlung, für die die Beklagte zu 2 einzustehen hätte, im Bezirk des Landgerichts Münster liegt.
Die Beklagten werden vorliegend als Streitgenossen im Sinne von §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 59, 60 ZPO in Anspruch genommen. Der Begriff der Streitgenossenschaft gem. §§ 59, 60 ZPO ist grundsätzlich weit auszulegen. Streitgenossenschaft setzt nicht zwingend eine Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend gemachten Ansprüche voraus. Es ist auch nicht erforderlich, dass eine gemeinsame und einheitliche Entscheidung über die Ansprüche der Beklagten notwendig ist. Streitgenossenschaft im Sinne der §§ 59, 60 ZPO kann vielmehr bereits angenommen werden, wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt und die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist und nicht zu einer Verwirrung führt (vgl. nur Zöller/Althammer, 32....