Leitsatz (amtlich)
Ist im Hauptverhandlungsprotokoll zum Schlussplädoyer des Verteidigers lediglich protokolliert, er habe "hilfsweise weitere Beweise" beantragt, so ist das Protokoll insoweit lückenhaft, da völlig unwahrscheinlich ist, dass dies ohne Angabe von Beweisthema und/oder Beweismittel geschehen ist.
Verfahrensgang
AG Essen (Aktenzeichen 35 OWi 37 Js 1480/07 (457/07)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 125 Euro sowie ein Fahrverbot von 1 Monat unter Gewährung der sogenannten "Viermonatsfrist" verhängt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 22.02.2007 mit dem von ihm geführten PKW auf der X-Straße in F, Fahrtrichtung S-Allee die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 43 km/h. Die Messung erfolgte mit dem Gerät Zellweger MU VR 6F. Von dem gemessenen Wert von 96 km/h wurde ein Toleranzabzug von 3 km/h vorgenommen. Die Messungen des Messtrupps erfolgten an diesem an sich durch eine Linksmessung im ankommenden Verkehr. Das Fahrzeug des Betroffenen kam aber aus der Gegenrichtung. Bei Bemerken des schnell herannahenden Fahrzeugs erfolgte ein Schwenk des Messgeräts in die Gegenrichtung, um die Messung vorzunehmen. Die Gegenfahrbahn ist eine zweispurig ausgebaute Fahrbahn.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und erhebt sowohl die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, als auch Verfahrensrügen.
II.
Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
1.
Die Verfahrensrüge einer unzulässigen Ablehnung eines Beweisantrages (§ 244 Abs. 2, Abs. 3 StPO, 77 Abs. OWiG) ist unbegründet.
Der Betroffene behauptet in der Rechtsbeschwerdebegründung, dass die Verteidigung im Schlussplädoyer hilfsweise für den Fall einer Verurteilung folgenden Beweisantrag gestellt habe:
"Zum Beweis der Tatsache, dass das verwendete Verkehrsradargerät des Typs MUVR6F der Firma Zellweger bei der konkreten Handhabung zur fehlerfreien Geschwindigkeitsmessung auf einer vierspurigen Straße weder geeignet noch zugelassen ist, beantrage ich die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder hilfsweise die Einholung einer Herstellerauskunft."
Dieser Beweisantrag sei weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil beschieden worden.
Die Verfahrensrüge ist deswegen unbegründet, weil es dem Betroffenen nicht gelungen ist, das von ihm behauptete Verfahrensgeschehen zu beweisen.
Bei einem (Hilfs-)Beweisantrag handelt es sich um eine zu protokollierende wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung im Sinne von § 273 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 244 Rdn. 36). Der Beweis einer solchen Antragstellung erfolgt nach § 274 StPO durch das Protokoll. Im Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ist Folgendes vermerkt: "Der Verteidiger beantragte: Freispruch, hilfsweise weitere Beweise". Dies beweist lediglich, dass die Erhebung weiterer Beweise im Rahmen des Schlussplädoyers beantragt wurde, aber nicht, dass ein Beweisantrag mit dem von dem Betroffenen behaupteten Inhalt gestellt wurde. Allerdings ist das Protokoll in diesem Punkte offensichtlich lückenhaft, so dass seine Beweiskraft (hier: dass lediglich "hilfsweise weitere Beweise" beantragt wurden, ohne Beweisthema und Beweismittel näher zu bezeichnen) entfällt. Ein Protokoll ist offensichtlich lückenhaft, wenn sich aus dem Protokoll selbst ergibt, dass ein nicht protokollierter Vorgang stattgefunden haben muss (Meyer-Goßner StPO a.a.O. § 274 Rn 17; Engelhardt in: KK-StPO 5. Aufl. § 274 Rn 9). Vorliegend ergibt sich aus dem Protokoll, dass "hilfsweise weitere Beweise" beantragt wurden. Es ist aber völlig unwahrscheinlich, dass dies die einzige Aussage des Verteidigers zur hilfsweise begehrten weiteren Beweiserhebung war und er nicht auch Angaben zu Beweisthema und/oder Beweismittel gemacht hat. Denn die bloße Beantragung "weiterer Beweise", ohne Mitteilung, wo man noch Aufklärungsbedarf sieht, ist sinnlos.
Entfällt die Beweiskraft des Protokolls, so hat das Rechtsbeschwerdegericht den prozessualen Sachverhalt insoweit im Freibeweisverfahren, insbesondere durch Einholung dienstlicher Stellungnahmen von Richtern und Protokollbeamten, aufzuklären (BGH NStZ 2002, 270, 272). In diesem ist der Beweis des vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensgangs nicht gelungen. Die Richterin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 26.06.2008 angegeben, dass sie an die Hauptverhandlung im Einzelnen keine Erinnerung mehr habe. Üblicherweise wäre ein entsprechender Antrag im Termin oder in den Urteilsgründen beschieden worden. Ob in der mündlichen Urteilsbegründung oder z...