Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafzeitberechnung. Anrechnung. Aussichtlosigkeit. Entziehungsanstalt. Erledigung

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt die Maßregelvollzugsanstalt einen Antrag auf Erledigung der Maßregel (§ 67 d Abs. 5 StGB), so ist auch die Zeit, die der Verurteilte in der Maßregelvollzugsanstalt bis zur Rechtskraft der Erledigungsentscheidung verbringt, nur bis zu dem nach § 67 Abs. 4 StGB gebotenen Maß (und nicht darüber hinaus) auf die Strafe anzurechnen. Das gilt auch dann, wenn die Vollzugsgestaltung in dieser Zeit keine Therapieziele mehr verfolgt.

 

Normenkette

STGB § 67 Abs. 4; StGB § 67 d Abs. 1 S. 2, § 67d Abs. 5; StPO § 458

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 71 StVK 225/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte begehrt eine Überprüfung der Strafzeitberechnung.

Der Verurteilte verbüßt zur Zeit den Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, die das Landgericht Siegen wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit Urteil vom 02.04.2007 gegen ihn verhängt hat. Die in diesem Urteil gleichzeitig angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde bis zur (unter Berücksichtigung der erlittenen und anzurechnenden Untersuchungshaft berechneten) Höchstfrist am 22.06.2011 vollstreckt. Das Strafende ist auf den 01.10.2012 notiert.

Im Maßregelvollzug wurden dem Verurteilten zunächst Lockerungen gewährt. Am 07. Februar 2011 kam es zu einem Betäubungsmittelrückfall. Aufgrund dessen wurde der Verurteilte wieder einer geschlossenen Therapiestation zugeführt, auf der er nur noch beschränkt an der Gemeinschaft der Patienten teilnehmen durfte. Die Maßregeleinrichtung sah die Behandlung als gescheitert an und beantragte, die Maßregel für erledigt zu erklären. Nach Einholung eines Gutachtens erklärte die seinerzeit zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 14.06.2011 die Maßregel für erledigt und lehnte die Aussetzung der noch offenen Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ab. Der Beschluss wurde am 28.06.2011 rechtskräftig.

Bis zu seiner Aufnahme in den Strafvollzug am 22.06.2012 hat der Verurteilte - nach eigenen Angaben - an therapeutischen Angeboten nicht teilnehmen können. Er habe sich zwar außerhalb seines Zimmers frei bewegen dürfen, bei Gruppenveranstaltungen habe er diese aber verlassen müssen.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 20.03.2012 hat der Verurteilte die Überprüfung der Strafzeitberechnung beantragt, mit eigenem Schriftsatz vom 18.03.2012 hat er konkret beantragt, die Zeit in der Maßregeleinrichtung vom 05.02.2011 bis zum 23.06.2011 auf das letzte Strafdrittel der Freiheitsstrafe anzurechnen, weil er in dieser Zeit praktisch im "Zimmereinschluss" gewesen sei und nicht habe an Therapiemaßnahmen teilnehmen können.

Die Staatsanwaltschaft Siegen hat unter dem 30.04.2012 eine Anrechnung dieser Zeit und eine Neuberechnung der Strafzeit abgelehnt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Verurteilten zurückgewiesen. Für die Zeit vom 05. bis zum 07.02.2011 sei ein Anrechungsgrund schon deswegen nicht ersichtlich, weil der Verurteilte erst seit dem 08.02.2011 wieder geschlossen untergebracht worden sei. Für die Zeit vom 08.02. bis 14.06.2011 sei eine Anrechnung des Maßregelvollzugs nur bis zur Grenze des § 67 Abs. 4 StGB möglich. Der Verurteilte habe sich frei bewegen können. Der Umstand, dass er nicht weiter an Therapiemaßnahmen teilnehmen konnte, ändere nichts daran, dass es sich um Maßregelvollzug gehandelt habe. Für die Zeit vom 14.06. bis 23.06.2011 gelte nichts anderes. Nach dem Erledigungsbeschluss sei die Maßregel bis zu dessen Rechtskraft (bzw. hier bis zum Erreichen der Maßregelhöchstdauer) weiter zu vollstrecken.

Gegen den am 13.06.2012 an die Verteidigerin abgesandten Beschluss hat der Verurteilte am 22.06.2012 sofortige Beschwerde eingelegt, die nicht weiter begründet wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 462 Abs. 3 StPO i.V.m. § 458 StPO). Sie ist auch zulässig. Zwar befindet sich ein Empfangsbekenntnis der Verteidigerin hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses nicht bei den Akten. Allerdings ist es naheliegend, dass der erst am 13.06.2012 von der Geschäftsstelle zur Postbeförderung gegebene Beschluss angesichts des üblichen Umstandes, dass die Schriftstücke erst am darauf folgenden Tag zur Post gelangen und dann frühestens einen weiteren Tag später beim Empfänger sein können, der Beschluss frühestens am 15.06.2012 bei der Verteidigerin eingegangen ist, so dass die Wochenfrist nach § 311 Abs. 2 StPO mit Eingang des Rechtsmittels am 22.06.2012 gewahrt wurde.

2.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. ...

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