Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen "Schwere der Tat" und/oder wegen "Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage"
2. Zur ausreichenden Berücksichtigung der Interessen des Angeklagten und/oder des Verteidigers bei der Bescheidung eines Terminsverlegungsantrags.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten im angefochtenen Urteil unter Einbeziehung einer anderen rechtskräftigen Verurteilung wegen falscher Verdächtigung "wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Monaten" verurteilt. Hiergegen wendet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die formelle Rüge des Angeklagten, mit der er einen Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO geltend macht, hat - zumindest vorläufigen - Erfolg.
1. Dieser Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Hauptverhandlung war vom Amtsgericht zunächst nur auf den 15. Juni 2000 terminiert. Nach Abschluss der Beweisaufnahme beantragte der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Der Verteidiger des Angeklagten beantragte daraufhin die Unterbrechung der Hauptverhandlung, um weitere Beweisanträge stellen zu können. Der Vorsitzende unterbrach die Hauptverhandlung und setzte Fortsetzungstermin für Montag, den 19. Juni 2000, an. Es wurde vereinbart, dass der Verteidiger seine Beweisanträge dem Gericht vorab zufaxen sollte, damit das Amtsgericht seine Entscheidung vorbereiten konnte. Der Verteidiger kam dieser Absprache am Freitag, den 16. Juni 2000, nach. Zu Beginn der Hauptverhandlung am 19. Juni 2000 erklärte der Vorsitzende aber, er sei aus terminlichen Gründen zu einer Bescheidung der Beweisanträge, die einen Umfang von "immerhin 10 Seiten" hatten, in dem Hauptverhandlungstermin nicht in der Lage. Er werde deshalb weiteren Fortsetzungstermin auf Montag, den 26. Juni 2000, anberaumen. Der Verteidiger erklärte dazu, dass er ab 25. Juni bis 15. Juli 2000 zu einer schon seit langem geplanten und gebuchten Urlaubsreise - Schiffsreise Southhampton - New York mit anschließendem Aufenthalt in New York - aufbreche). Er bat, da sein Mandant auf ihn als allein eingearbeiteten und mit dem bisherigen Ablauf der Verhandlung vertrauten Verteidiger nicht verzichten könne, die Hauptverhandlung entweder am 19. Juni 2000 oder an den folgenden Tagen fortzusetzen oder ggf. zu unterbrechen. Der Vorsitzende lehnte dies ab und terminierte die Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den 26. Juni 2000. Der Verteidiger lehnte daraufhin den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch ist durch das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Die Hauptverhandlung fand dann am 26. Juni 2000 ohne den Verteidiger des Angeklagten statt. In diesem Termin wurden die Beweisanträge des Verteidigers beschieden, außerdem wurden verschiedene Schriftsätze verlesen und der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat erneut plädiert. Zu dessen Antrag hat der Angeklagte Stellung genommen, bevor dann das angefochtene Urteil ergangen ist.
2. Der Angeklagte macht mit seiner in noch zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge zu Recht den absoluten Revisionsgrund nach den §§ 140 Abs. 2, 338 Nr. 5 StPO geltend, weil die Hauptverhandlung gegen ihn zumindest teilweise ohne den Beistand eines Verteidigers und somit in Abwesenheit einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat.
Die Mitwirkung eines Verteidigers war in der Hauptverhandlung am 26. Juni 2000 - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts - die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dieser Frage in ihrer Stellungnahme vom 9. Oktober 2000 keine Ausführungen gemacht - gem. § 140 Abs. 2 StPO notwendig. Nach dieser Vorschrift ist einem Angeklagten u. a. dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn dies wegen der "Schwere der Tat" oder der "Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage" geboten erscheint. Vorliegend war nach beiden Voraussetzungen die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung am 26. Juni 2000 geboten.
a) Die "Schwere der Tat" beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, nämlich ob die zu erwartende Rechtsfolge einschneidend für den Angeklagten ist (vgl. u. a. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 140 Rn. 23 mit weiteren Nachweisen aus der Rspr. ; siehe auch OLG Hamm StV 1993, 180 sowie die weiteren Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl. , 1999, Rn. 601 ff. ). Von Bedeutung sind aber auch sonstige schwerwiegende Nachteile, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu erwarten hat (vgl. Kleinknecht,...