Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden, bei dem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Von diesem Grundsatz kann abgewichen werden, wenn dies sachliche vorrangige Gründe rechtfertigen. Ein solcher Ausnahmefall kann dann vorliegen, wenn ein besonderer Gerichtsstand gem. § 29 ZPO gegeben ist, der durch den Standort des Bauwerks bestimmt wird (Änderung der Senatsrechtsprechung, vgl. Beschl. v. 13.2.2012 - 32 SA 5/12).

 

Normenkette

ZPO §§ 29, 36

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG B bestimmt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin beabsichtigt, vor dem LG B gegen die Antragsgegnerinnen ein selbständiges Beweisverfahren einzuleiten, dessen Gegenstand die Frage nach dem Vorliegen etwaiger Mängel an einem im Auftrag der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu 1. geplanten und von der Antragsgegnerin zu 2. errichteten Erweiterungsbaus eines in Werl gelegenen Einkaufszentrums ist. Die Antragsgegnerin zu 3. hat eine Gewährleistungsbürgschaft für das Bauvorhaben gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, das LG B als zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Antragsgegnerinnen haben keine Stellungnahme abgegeben.

B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

I. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen, da die für eine Zuständigkeitsbestimmung in Betracht kommenden Gerichtsstände in den Bezirken verschiedener OLG liegen, so dass das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht aller Antragsgegnerinnen der BGH wäre und zudem das OLG Hamm als erstes OLG um die Zuständigkeitsbestimmung angegangen worden ist.

II.1. Die Antragsgegner sind Streitgenossen i.S.d. §§ 59 f. ZPO. Ansprüche gegen mehrere Verantwortliche für Mängel am selben Bauwerk sind gleichartig aufgrund eines im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes i.S.d. § 60 ZPO (BayObLG NJW-RR 1998, 209).

Die Antragsgegnerin zu 3. hat eine Gewährleistungsbürgschaft für das Bauvorhaben gestellt. Hauptschuldner und Bürge stehen in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft und sind daher Streitgenossen nach § 59 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 60 ZPO Rz. 5 m.w.N.).

2. Die Antragsgegnerinnen weisen unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände auf - C im Landgerichtsbezirk C (§§ 486 Abs. 2, 12, 17 Abs. 1 ZPO), C1 im Landgerichtsbezirk O (§§ 486 Abs. 2, 12, 17 Abs. 1 ZPO) und I im Landgerichtsbezirk I (§§ 486 Abs. 2, 12, 17 Abs. 1 ZPO).

3. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen.

C. Als zuständig wird das LG B bestimmt.

I. Dies beruht auf Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 ZPO Rz. 18 m.w.N.).

Das Bauwerk wurde im Bezirk des LG B errichtet. Dort wird auch die zu erwartende Beweisaufnahme erfolgen. Mithin besteht infolge der räumlichen Nähe die engste Verbindung zum Bezirk des LG B.

II. Soweit der Senat in der Vergangenheit entschieden hat, dass auch dann nur ein Gericht bestimmt werden, bei dem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, wenn ein besonderer Gerichtsstand gem. § 29 Abs. 1 ZPO gegeben ist, der durch den Standort des Bauwerks bestimmt wird (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2012 - 32 SA 5/12, MDR 2012, 799), hält er an dieser Rechtsprechung nicht weiter fest.

1. Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt allerdings voraus, dass mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen. Für die Ausübung des gerichtlichen Auswahlermessens folgt daraus, dass regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 ZPO Rz. 17). Nach diesem Grundsatz bestünde im vorliegenden Fall allein eine Auswahl zwischen den LG in C, O und I.

Im Streitfall soll das selbständige Beweisverfahren aber auf Antrag der Antragstellerin gem. §§ 486 Abs. 2, 29 ZPO am besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes beim LG B durchgeführt werden, an dem keine der Antragsgegnerinnen ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.

2. Die Rechtsprechung hat von dem vorstehend dargestellten Grundsatz jedoch aus Zweckmäßigkeitsgründen in bestimmten Fällen Ausnahmen zugelassen, wenn sachlich vorrangige Gründe es rechtfertigen. Ausnahmsweise kann danach auch ein Gericht bestimmt werden, bei dem keiner der verklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1516, 1517, Tz. 19; NJW 2008, 3789, Tz. 11; vgl. auch BGH NJW-RR 2013, 1302, 1304 Tz. 32 f.), wenn dieses Gericht für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig ist, wenn es aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Kläger und einem Streitgenossen für Klagen gegen diesen Streitgenossen mit a...

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