Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 7 O 503/22) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Einwendungen der Berufung greifen nicht durch.
1. Die Wirksamkeit der Anpassung im Tarif AMN 100 zum 01.05.2020 in Höhe von 8,40 EUR rügt der Kläger (im Folgenden: d. VN abgekürzt für "der Versicherungsnehmer") ohne Erfolg.
Die formelle Wirksamkeit greift d. VN - zu Recht - nicht an.
Ohne Erfolg beanstandet d. VN die Prämienanpassung zum 01.05.2020 in materieller Hinsicht. Sein erstinstanzlicher, allein auf die Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen bezogener Vortrag kann den Berufungsanträgen aus Rechtsgründen nicht zum Erfolg verhelfen (a). Sein zweitinstanzlicher Vortrag, die Beklagte habe die Limitierungsmittel nicht gesetzmäßig verwendet, ist nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 ZPO (b).
a) Zutreffend hat das Landgericht die erstinstanzlichen Angriffe d. VN gegen die materielle Wirksamkeit zurückgewiesen.
aa) Der erstinstanzliche Angriff ist auf die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen beschränkt gewesen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 04.01.2023, mit dem d. VN ausdrücklich klargestellt hat, dass er - anders als in anderen Verfahren - vorliegend nicht "die versicherungsmathematisch ordnungsgemäße Berechnung der auslösenden Faktoren sowie der letztendlich errechneten Versicherungsprämie", also die "grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulation", bestreite, sondern "ausschließlich, dass dem Treuhänder die Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG zum Zeitpunkt seiner Einverständniserklärung mit der Limitierungsmittelverwendung [aufgrund unvollständiger Unterlagen] überhaupt ermöglicht gewesen ist" (Bl. 616 f. der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I). Mit diesem Inhalt hat das Landgericht den klägerischen Vortrag auch im - nicht angegriffenen - Tatbestand festgestellt.
Nicht in Zweifel gezogen hat d. VN mithin, dass die Beklagte bei der - dem Prüfverfahren des Treuhänders zeitlich und sachlich vorgelagerten - Verwendung der Limitierungsmittel die ihr insoweit eingeräumten Beurteilungsspielräume (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 52) gewahrt hat.
bb) Ein dergestalt beschränkter Vortrag verhilft der Klage im Prämienanpassungsstreit nicht zum Erfolg (Senat, Beschluss vom 12.05.2023, 20 U 7/23, Rn. 17 ff. - juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.03.2023, 8 U 3056/22, juris Rn. 21 ff.).
Zwar macht § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie davon abhängig, dass der zustimmende Treuhänder die "technischen Berechnungsgrundlagen" überprüft hat. Allein deren Unvollständigkeit als solche vermittelt dem Versicherungsnehmer aber keine Befugnis, die Wirksamkeit der Prämienanpassung mit Erfolg zu beanstanden. Dies ergibt die Auslegung; und dies ergibt sich im Übrigen - unabhängig davon - auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB):
(a) Der Wortlaut des § 203 VVG gibt keinen Aufschluss darüber, ob sich der Versicherungsnehmer im Prämienanpassungsstreit mit Erfolg auf die Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagenberufen kann. § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG verlangt, dass die Unterlagen den Treuhänder in die Lage versetzen, die Prämienanpassung nach Maßgabe des in § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG in Verbindung mit § 155 VAG vorgeschriebenen Verfahrens zu überprüfen. § 155 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VAG ordnen ausdrücklich an, dass dem Treuhänder "sämtliche" Berechnungsgrundlagen, die inhaltlich "vollständig" sein müssen, vorzulegen sind. Ob § 203 VVG insoweit aber nur einen Verweis auf das einzuhaltende Verfahren beinhaltet oder dessen Nichteinhaltung - hier: betreffend die Unterlagenvollständigkeit - vom Versicherungsnehmer mit Erfolg im Prämienanpassungsstreit gerügt werden können soll, geht aus dem Wortlaut nicht hervor.
(b) Rechtssystematische Erwägungen und die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sprechen jedenfalls nicht dafür, dass der Versicherungsnehmer die Wirksamkeit der Prämienanpassung allein mit der behaupteten Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen angreifen könnte.
Die näheren Anforderungen an die Vollständigkeit der Unterlagen sind, wie dargelegt, im Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen, nicht aber im materiellen Versicherungsvertragsrecht geregelt (vgl. auch BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, juris Rn. 33).
Zur Entstehu...