Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf. Maßregelaussetzung zur Bewährung. Zustandsverschlechterung. Widerrufsgrund. Subsidiarität. Abstinenzweisung. Zumutbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei § 67g Abs. 2 StGB handelt es sich um einen restriktiv auszulegenden Ausnahmetatbestand, der gegenüber den in § 67g Abs. 1 StGB genannten Widerrufsgründen subsidiär ist.
Bei Suchtkranken ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die Weisung, auf den Konsum von Suchtmitteln zu verzichten, unzumutbar ist. In diesen Fällen ist eine Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Dabei sind insbesondere die Fragen, in welchem Umfang überhaupt die Aussicht besteht, den mit einer Abstinenzweisung verfolgten Zweck zu erreichen, ob und inwieweit der Suchtkranke sich (wenn auch erfolglos) Therapieangeboten geöffnet hat und welche Straftaten im Falle weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten sind, in die Abwägung einzustellen.
Normenkette
StGB § 67g Abs. 2, § 68b Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 12 StVK 155/20) |
LG Hagen (Entscheidung vom 18.01.2010) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt A für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt (Alleinentscheidung des Vorsitzenden).
Gründe
I.
Mit Urteil vom 18. Januar 2010 hat das Landgericht Hagen in einem Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Maßregel gleichzeitig zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist seit dem 18. Januar 2010 rechtskräftig. Die Maßregelaussetzung zur Bewährung hatte die Kammer zusammengefasst damit begründet, dass besondere Umstände vorlägen, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden könne. So sei der (damalige) Beschuldigte während seines letzten Aufenthalts in der B-Klinik erfolgreich stabilisiert worden. Die Stabilisierung habe sich während der ambulanten fachpsychiatrischen Behandlung fortgesetzt. Durch die engmaschigen Bewährungsauflagen, die neben der Auflage, sich in eine Einrichtung des betreuten Wohnens zu begeben, auch die Kontrolle der Medikamenteneinnahme sowie Drogenscreenings umfasse - so die Kammer - sei die weitere therapeutische und fachpsychiatrische Behandlung sichergestellt.
Diese Prognose bewahrheitete sich nicht. Spätestens ab Mai 2010 fiel der Beschwerdeführer mehrfach mit positiven Drogenscreenings (THC) auf, weswegen die Staatsanwaltschaft Hagen bereits am 19. Oktober 2010 den Widerruf der Maßregelaussetzung zur Bewährung beantragte.
Den Antrag auf Widerruf der Maßregelaussetzung zur Bewährung hat die Strafkammer des Landgerichts Hagen nach der am 15. November 2010 erfolgten mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, nachdem der Beschwerdeführer erklärt hatte, seinen Cannabiskonsum endgültig eingestellt zu haben und der Bewährungshelfer, sein Betreuer und ein weiterer Sozialarbeiter erklärt hatten, dass die übrigen Bewährungsauflagen eingehalten würden und die Zusammenarbeit mit dem Betroffenen problemlos verlaufe.
Entgegen seinen Bekundungen blieb der Beschwerdeführer nicht abstinent. Nachdem er auch in der Folgezeit mehrfach Cannabis und Alkohol konsumiert hatte, verweigerte er mit Beginn des Jahres 2011 zudem seine Depotmedikation. Nachdem er am 4. März 2011 im Rahmen eines krankheitsbedingten Impulsdurchbruchs seinen rechtlichen Betreuer Rechtsanwalt C tätlich angegriffen hatte, kam es zu einer ersten Einweisung in die geschlossene Abteilung der B-Klinik. Auch in der Folgezeit kam es zu mehreren Zwangseinweisungen, u.a. weil er am 15. April 2011 mit einer Blutalkoholkonzentration von über 2 Promille einen Pkw beschädigt hatte.
Wegen der Verschlechterung des Zustands hatte das Landgericht Hagen daraufhin mit Beschluss vom 25. Mai 2011, rechtskräftig seit dem 4. Juni 2011, gemäß § 67h StGB die Krisenintervention angeordnet.
Nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn die Krisenintervention zuvor mit Beschluss vom 23. August 2011 für die Dauer von weiteren drei Monaten verlängert hatte, hat die Strafvollstreckungskammer die Krisenintervention mit Beschluss vom 15. November 2011 für erledigt erklärt, so dass der Beschwerdeführer am 16. November 2011 in ein Wohnheim entlassen wurde. Dem Beschwerdeführer war aufgegeben worden, Wohnsitz in einer betreuten Einrichtung zu nehmen.
Weil der Beschwerdeführer bereits kurz nach seiner Entlassung in das Wohnheim Alkohol trank, versucht hatte, auch Mitbewohner zum Trinken zu animieren und es schließlich am 3. Dezember 2011 nach massiven Alkoholkonsum zu einer Schlägerei kam, weil dem Beschwerdeführer die von ihm geforderte Zigarette von einem Mitbewohner verwehrt worden war, so dass die Entlassung aus dem Wohnheim drohte, erließ die Strafvollstreckungskammer am 6. Deze...