Leitsatz (amtlich)
Eine formlose und nicht bindende Abgabe eines Rechtsstreits vom angerufenen Gericht an ein anderes Gericht ist unzulässig, wenn der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist. Nach Rechtshängigkeit kann ein Gericht, das sich für unzuständig hält, die Anhängigkeit des Rechtsstreits bei einem anderen Gericht nur dadurch herbeiführen, dass es den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO verweist. Verweist das Gericht, an das der Rechtsstreit formlos abgegeben wurde, den Rechtsstreit an ein drittes Gericht durch einen Beschluss gem. § 281 ZPO weiter, ist dieser Beschluss rechtsfehlerhaft, weil dem verweisenden Gericht die Befugnis zur Entscheidung über den - durch die formlose Abgabe nicht bei ihm anhängig gewordenen - Rechtsstreit fehlt. Dieser Verweisungsbeschluss kann bindend sein, was im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden ist.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
Zuständig ist das LG G.
Gründe
I. Die Kläger, deren Wohnsitz in C liegt, haben bei dem LG N gegen die in G ansässige Beklagte Klage eingereicht, die auf die Feststellung der Beendigung von zwei Darlehensverträgen und daraus folgende weitere Ansprüche gerichtet ist. Nach den Angaben in der Klageschrift sahen die Kläger als das zuständige Gericht des Erfüllungsorts gem. § 29 ZPO das LG E an. Sie beantragten für den Fall, dass das LG N sich für unzuständig halten sollte, bereits in der Klageschrift Verweisung an das LG E.
Die Klage ist der Beklagten nachfolgend zugestellt worden. Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Ns gerügt.
Mit von drei Richterinnen und Richtern unterzeichneter Verfügung vom 25.10.2016 hat die 14. Zivilkammer des LG N in Ziff. I der Verfügung vermerkt, dass die Klägervertreter in zahlreichen gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten Klage bei dem LG N eingereicht hätten, ohne dass ein örtlicher Bezug nach N vorliege. Die Klageerhebung sei rechtsmissbräuchlich, da sie allein dem Zwecke diene, über die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO die Zuständigkeit des LG E herbeizuführen und diesem so die nach der Rechtsauffassung des LG N gegebene Zuständigkeit in den so genannten "Widerrufsfällen" aufzudrängen. Deshalb werde die Kammer bei gleich gelagerten Fällen nicht verweisen, sondern den Rechtsstreit formlos abgeben. Ferner wird nach Ziff. II 1. der Verfügung der Rechtsstreit durch Schreiben an das LG E unter Beifügung der Akten unter Bezug auf den Vermerk zu Ziff. I ohne Bindungswirkung formlos abgegeben, zu Ziff. II. 2 folgen Ausführungen zu der Auffassung der Kammer, dass das LG E gem. § 29 ZPO örtlich zuständig sei. Sowohl der Vermerk zu Ziff. I der Verfügung als auch das Schreiben zu Ziff. II sind den Parteien bekannt gegeben worden.
Die Klägervertreter haben - mit einem noch an das LG N gerichteten Schriftsatz - Verweisung an das ebenfalls zuständige LG G beantragt und zugleich erklärt, die Erhebung der Klage vor dem LG N sei in der Hoffnung erfolgt, dass die Beklagte sich dort rügelos einlassen werde. Dieser Schriftsatz ist dem LG E nachgesandt worden.
Das LG E hat den Parteien mitgeteilt, dass es sich für unzuständig erachte und hat nachfolgend durch Beschluss vom 17.11.2016 den Rechtsstreit an das LG G verwiesen. Eine Bindungswirkung liege nicht vor, da das LG N den Rechtsstreit formlos abgegeben habe.
Das LG G hat das Verfahren übernommen und Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.
Mit am selben Tag bei dem LG N eingegangenem Schriftsatz vom 22.11.2016 haben die Kläger sofortige Beschwerde gegen die Abgabe von dem LG N an das LG E erhoben, da diese rechtswidrig gewesen sei.
II.1. Die sofortige Beschwerde ist als Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts auszulegen.
a) Das Verfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird nicht nur durchgeführt, wenn eines der beteiligten Gerichte seine Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit vorlegt; es ist ausreichend, wenn widerstreitende Unzuständigkeitserklärungen von Gerichten vorliegen und die Bindungswirkung im Streit steht (Vollkommer in: Zöller, 31. Aufl. 2016, § 37 ZPO Rn. 1 m.w.N.).
b) Die Klägerseite ist im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO antragsberechtigt (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 37 ZPO Rn. 1). Der Auslegung ihrer gegen die Abgabe des LG N gerichteten sofortigen Beschwerde als Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung haben die Kläger ausdrücklich zugestimmt. Das gemäß § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts haben die Kläger damit gestellt.
2. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zu der Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Das nächsthöhere Gericht über den LGen N, E und G ist der Bundesgerichtshof. Das LG N, das zuerst mit der Sache befasst war, liegt in seinem Bezirk.
3. Die Kläger haben auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat das LG G das Verfahren übernommen und bereits Termin anberaumt und damit zu verstehen gegeben, dass es sich grundsätzlich für zuständig erachtet. Der Zuständigkeit des LG G könnten aber die fehlende Bindungswirkung der Abgabe durch das LG N und d...