Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechselbezüglichkeit der Ersatzerbenberufung
Leitsatz (amtlich)
1. Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben und ihren Sohn als Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt, so kann darin auch nach der Entscheidung des BGH v. 16.1.2002 (BGH v. 16.1.2002 – IV ZR 20/01, BGHZ 149, 363 = BGHReport 2002, 282 = MDR 2002, 456 = NJW 2002, 1126) ein hinreichender Anhaltspunkt für eine individuelle Auslegung des Erblasserwillens gesehen werden, dass anstelle des vor dem Tode des letztverstorbenen Ehegatten vorverstorbenen Sohnes dessen Kinder zu Ersatzerben berufen sein sollen.
2. Auf eine im Wege der individuellen Auslegung festgestellte Ersatzerbeneinsetzung erstreckt sich dann auch die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2270
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 04.02.2003; Aktenzeichen 7 T 726/02) |
AG Essen (Aktenzeichen 82 VI 693/01) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit Herrn D., der im Mai 1994 vorverstorben ist. Aus dieser Ehe hervorgegangen ist als einziger Sohn E., der nach dem Tode seines Vaters, jedoch vor der Erblasserin am 21.2.2000 verstorben ist. Dessen Töchter aus seiner Ehe mit Frau D. sind die in den Jahren 1971, 1976 bzw. 1978 geborenen Beteiligten zu 1) bis 3).
Die Erblasserin errichtete mit ihrem Ehemann am 18.2.1994 ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Die weitere Bestimmung dieses Testaments lautet:
„Nach dem Tod des längstlebenden soll der beiderseitige Nachlass an unseren beider Sohn E.D. fallen.”
Nach dem Tode ihres Ehemannes errichtete die Erblasserin am 27.8.2001 ein weiteres notarielles Testament, in dem es heißt:
„Mein Wille ist, dass weder meine Enkel noch meine Urenkel etwas von mir erben.
Meine alleinige Erbin soll der Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte … e.V. werden. Diese soll den Nachlass verwenden für das ‚E.-D.Haus’, Ferien- und Freizeitzentrum.”
Der in diesem Testament Bedachte ist der Beteiligte zu 4).
Die Beteiligte zu 3) hat zu notarieller Urkunde vom 11.12.2001 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der – unter Berücksichtigung der nachträglich mit Schreiben des Notars vom 29.4.2002 vorgenommenen Antragsänderung – ausweisen soll, dass die Beteiligten zu 1) bis 3) zu je 1/3 Anteil zu Erben der Erblasserin berufen sind. Zur Begründung haben die Beteiligten zu 1) bis 3) geltend gemacht, zwischen ihnen und der Erblasserin hätten immer enge familiäre Bindungen bestanden, in die auch ihre Mutter, die Schwiegertochter der Erblasserin, einbezogen gewesen sei. Die engen familiären Bindungen könnten erforderlichenfalls näher belegt werden. Der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin sei in den letzten fünf oder sechs Jahren vor seinem Tod als erster Hausmeister für das von dem Beteiligten zu 4) errichtete Ferien- und Freizeitzentrum für behinderte Kinder in B. im H. tätig gewesen. Aufgrund seines persönlichen Einsatzes sei diesem Zentrum im Volksmund der Name „E.-D.-Haus” beigelegt worden, wie ihn die Erblasserin auch in ihrem Testament vom 27.8.2001 verwendet habe. Sie, die Beteiligten zu 1) bis 3), seien aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.2.1994 im Wege der Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB als Ersatzerben anstelle ihres vorverstorbenen Vaters zu Schlusserben der Erblasserin berufen. Diese Erbeinsetzung habe die Erblasserin aufgrund der Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament nicht wirksam widerrufen können.
Der Beteiligte zu 4) ist dem Erbscheinsantrag maßgebend mit der Begründung entgegengetreten, die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament erstrecke sich nicht auf eine Ersatzerbeinsetzung, die sich nur aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB ergebe.
Das AG hat durch Beschluss vom 24.9.2002 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) bis 3) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 3.12.2002 Beschwerde eingelegt, die das LG durch Beschluss vom 4.2.2003 zurückgewiesen hat.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 22.4.2003 bei dem LG eingelegt haben.
Der Beteiligte zu 4) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) bis 3) folgt bereits daraus, dass ihre erst...