Leitsatz (amtlich)
1.
Mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen im Verlaufe einer Fahrt stehen auch dann zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, wenn sie zwar in einem engen zeitlichen Rahmen stehen, jedoch in unterschiedlichen Verkehrssituationen begangen worden und deshalb unschwer abzugrenzen sind.
2.
§ 25 Abs. 2a StVG findet auf Inhaber ausländischer Führerscheine keine Anwendung.
Verfahrensgang
AG Recklinghausen (Entscheidung vom 07.04.2006) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Recklinghausen hat den in erheblichem Umfang straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getretenen Betroffenen, der seinen Hauptwohnsitz in der Slowakei und seinen Nebenwohnsitz in den Niederlanden hat, am 7. April 2006 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 300,00 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.
Ferner hat es bestimmt, dass das Fahrverbot mit der amtlichen Verwahrung des Führerscheins wirksam wird, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten ab Rechtskraft des Urteils.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 28.06.2005 gegen 18.51 Uhr befuhr der Betroffene als Führer des Pkw mit dem Kennzeichen XXXXX, Fabrikat Daimler-Chrysler, die Autobahn A 43 von Recklinghausen in Fahrtrichtung Münster. In Höhe des Kilometers 43 ist dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt. Der Betroffene fuhr dort eine Geschwindigkeit von 134 km/h. Diese Geschwindigkeit wurde von dem Zeugen Lemke durch Messungen mit dem ProViDa/PPS-System gemessen. Die Messstrecke betrug 300 m, die Messzeit 7,56 Sekunden. Der Betroffene fuhr ungefähr diese Geschwindigkeit weiter, auch nachdem die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben worden war. Er reduzierte die Geschwindigkeit auch nicht, als erneut die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt wurde. In Höhe des Kilometers 50 auf der Autobahn A 43 fuhr der Betroffene trotz der dort nur erlaubten 80 km/h eine Geschwindigkeit von 160 km/h. Hierbei wurde er wiederum von dem Zeugen Lemke gemessen. Verwendet wurde wiederum das ProViDa/PPS-System. Die Messstrecke betrug 300 m, die Messzeit 6,38 Sekunden. Als der Betroffene angehalten wurde, gab er den Verkehrsverstoß zu."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er unter näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Recklinghausen zurückzuverweisen.
II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und fristgemäß begründet worden.
Sie hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
1.
Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge bereits im Schuldspruch aufzuheben.
a.
Das Amtsgericht ist entgegen der Annahme des Bußgeldbescheides nicht von einer tatmehrheitlichen, sondern von einer tateinheitlichen Begehungsweise ausgegangen und hat den Betroffenen darüber hinaus teilweise freigesprochen. Hierzu hat es Folgendes ausgeführt:
"Beide Messpunkte liegen nur ca. 7 km voneinander entfernt. Alleine das Aufheben der Geschwindigkeitsbegrenzung rechtfertigt nicht die Annahme einer neuen Tat. Es konnte nicht sicher festgestellt werden, dass eine vollständig neue Verkehrssituation vorgelegen hat. Deswegen war in dubio pro reo von einer tateinheitlichen Begehungsweise auszugehen. Insoweit musste der Betroffene teilweise freigesprochen werden."
Es begegnet rechtlichen Bedenken, ob die vom Tatrichter vorgenommene rechtliche Wertung zutreffend ist, dass es sich bei dem dem Betroffenen vorgeworfenen Verhalten lediglich um eine Tat handelt. Nach § 19 Abs. 1 OWiG wird nur eine Geldbuße festgesetzt, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. "Dieselbe Handlung" im Sinne des Gesetzes ist dabei eine einzige Willenbetätigung oder eine natürliche Handlungseinheit. Letztgenannte ist gegeben, wenn mehrere Verhaltensweisen in einem solchen unmittelbaren (räumlichern und zeitlichen) Zusammenhang stehen, dass das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten (objektiv) als ein einheitlich zusammengefasstes Tun anzusehen ist (vgl. hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Februar 2006 = DAR 2006, 338; vgl. auch OLG Rostock VRS 107, 461; Göhler, OWiG, 14. Aufl., Vor § 19 Rdnr. 3).
Dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im Verlaufe einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne handelt, ist - soweit ersichtlich - einhellige Meinung in Rechtsprechung und Lehre (vgl. hierzu OLG Brandenburg, N...