Entscheidungsstichwort (Thema)
Trunkenheit. Strafmilderung. Vorwerfbarkeit der Alkoholaufnahme. Unterbringung. Entziehungsanstalt
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für eine Versagung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Absatz 1 StGB ist stets, dass dem Angeklagten die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann; dies kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht, wenn also in der aktuellen Alkoholaufnahme kein schulderhöhender Umstand gesehen werden kann.
2. Bei der Trunkenheitsfahrt mit einem Roller handelt es sich um eine erhebliche Straftat im Sinne des § 64 StGB.
Normenkette
StGB §§ 21, 64, 316
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 22 Ns 6/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Blomberg sprach den Angeklagten am 17. November 2015 von dem Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr frei.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Detmold mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Mai 2016 das Urteil des Amtsgerichts Blomberg vom 17. November 2015 aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten für die Dauer von drei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
1.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2.
Das Urteil ist jedoch im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.
a) Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:
"Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte infolge seiner massiven Alkoholisierung in seiner Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich vermindert war, § 21 StGB. Gleichwohl hat die Kammer von der fakultativen Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht. Der Angeklagte trank, obwohl er damit rechnete, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Tat auch nicht allein deshalb als milder als der Normalfall zu werten, weil die alkoholische Beeinflussung recht hoch ist."
bb) Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit begegnet im Hinblick auf die zutreffend berechnete Blutalkoholkonzentration von 2,99 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X zum Tatzeitpunkt aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken, wobei sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, ob der Sachverständige O auch zu diesem Punkt angehört wurde.
cc) Bedenken begegnet jedoch die Begründung, mit der das Landgericht die Strafrahmenverschiebung versagt hat.
(1) Zwar kann eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt werden, wenn die alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruht (BGH, Urteil vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02, NStZ 2003, 480; Beschluss vom 7. Januar 2003 - 4 StR 490/03, NStZ-RR 2003, 136; Beschluss vom 20. April 2005 - 5 StR 147/05, [...]; Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, [...]). Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände; wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruht, stellt dies einen Umstand unter vielen dar, der in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechen kann. Die Entscheidung des Tatrichters unterliegt dabei nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung.
(2) Die Frage, ob der Tatrichter, der die Strafrahmenverschiebung verweigern will, zusätzlich zu einem schuldhaften Sich-Berauschen feststellen muss, dass sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (so BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, [...]), ist derzeit Gegenstand eines Anfragebeschlusses des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 (3 StR 63/15, [...]) an die übrigen Strafsenate, auf d...