Leitsatz (amtlich)

Aufgrund der gesetzlichen Vermutung nach § 1 Abs. 2 S. 2 BVormVG ist im Vergütungsverfahren lediglich zu prüfen, ob der Betreuer über Fachkenntnisse verfügt, die generell für die Führung von Betreuungen nutzbar sind, und ob der Vormundschaftsrichter eine abweichende Bestimmung nach § 1 Abs. 2 S. 2 BVormVG getroffen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1836, 1836a; BVormVG § 1 Abs. 1 und Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 7 T 515/00)

AG Essen (Aktenzeichen 78 XVII 5 358 SH)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1), die Diplomkauffrau ist, wurde durch Beschluss des AG Essen vom 13.12.1999 (78 XVII S 358) „zur Betreuerin (Berufsbetreuerin)” für die Betroffene mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge einschließlich Klinikunterbringungen bestellt.

Mit Schreiben vom 27.6.2000 beantragte die Beteiligte zu 1), für ihre Tätigkeit als Berufsbetreuerin in dem Zeitraum vom 13.12.1999 bis zum 31.5.2000 eine Vergütung von 1.672,72 DM sowie Aufwendungsersatz von 116,70 DM jeweils einschl. Mehrwertsteuer festzusetzen, wobei diese Beträge im Hinblick auf die Mittellosigkeit der Betroffenen aus der Staatskasse zu erstatten seien. Den Zeitaufwand für ihre Betreuungstätigkeit hat die Beteiligte zu 1) in dem ihrem Antrag beiliegenden Tätigkeitsnachweis mit 1.442 Minuten angegeben. Die beantragte Vergütung sei nach einem Stundensatz von 60 DM zu berechnen.

Durch Beschluss vom 30.10.2000 setzte das AG unter Zugrundelegung eines Zeitaufwandes für die Betreuungstätigkeit von 1.392 Minuten und eines Stundensatzes von 60 DM eine Vergütung von 1.614,72 DM zzgl. 116,70 DM Auslagenersatz jeweils einschließlich Mehrwertsteuer fest.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) rechtzeitig sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung der festgesetzten Vergütung eingelegt. Nach seiner Auffassung steht der Beteiligten zu 1) nur ein Stundensatz von 35 DM zu, weil die Qualifikation als Diplomkauffrau für die Führung der Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge einschließlich Klinikunterbringung nicht nutzbar sei.

Das LG hat durch Beschluss vom 5.1.2001 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 17.1.2001 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der er weiterhin die Bemessung der Vergütung nach einem Stundensatz von 35 DM begehrt.

Auf Veranlassung des Senats hat der Leiter des Dezernats 10 des OLG mit Verfügung vom 28.10.2002 Stellung genommen. Die Beteiligte zu 1) hat Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äußern.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das LG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel, mit dem allein die Höhe des Stundensatzes zur Überprüfung gestellt wird, unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer gem. § 56g Abs. 5 S. 1 FGG zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) ausgegangen. Auch die Sachentscheidung der Kammer hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Das LG hat ausgeführt, dass sich der Stundensatz von 60 DM aus § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG ergebe. Als Diplomkauffrau verfüge die Beteiligte zu 1) über besondere Kenntnisse, die durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben und für die Führung der Betreuung nutzbar seien. Von der Nutzbarkeit der Kenntnisse für die Betreuung sei nach § 1 Abs. 2 BVormVG auszugehen. Nach dieser Vorschrift werde vermutet, dass besondere Kenntnisse eines Betreuers, die für „die Führung der Vormundschaften allgemein nutzbar und durch eine Ausbildung i.S.d. Abs. 1 S. 2 erworben sind”, auch für die Führung der dem Betreuer übertragenen Betreuung nutzbar seien, falls nicht das VormG aus besonderen Gründen bei der Bestellung des Betreuers etwas anderes bestimme. Diese Vermutung greife ein, weil die besonderen Fachkenntnisse einer Diplomkauffrau für die Führung von Betreuungen allgemein von Nutzen seien und das VormG keine andere Bestimmung getroffen habe.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG in der für den hier maßgeblichen Abrechnungszeitraum geltenden Fassung beträgt die nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1 1836a BGB bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit 35 DM. Nach S. 2 der Vorschrift erhöht sich die Vergütung bei besonderen Kenntnissen des Betreuers, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, stufenweise, und zwar auf 45 DM, wenn die Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (Nr. 1), sowie auf 60 DM, wenn sie durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule o...

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