Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs wegen Sittenwidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs stellt eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung dar und ist damit gem. § 138 BGB sittenwidrig, wenn die späteren Eheleute bei Abschluss der notariellen Vereinbarung schon längere Zeit zusammengelebt und zwei gemeinsame Kinder hatten, die von der späteren Ehefrau betreut wurden, während der vollschichtig erwerbstätige spätere Ehemann, auf dessen Veranlassung die notarielle Vereinbarung geschlossen wurde, Wert darauf legte, dass er die in seinem Eigentum befindliche Immobilie im Falle einer Trennung und Scheidung weiterhin allein wirtschaftlich nutzen kann und nicht durch finanzielle Belastungen zu einer Veräußerung gezwungen wird.
Normenkette
VersAusglG § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1; BGB § 138
Verfahrensgang
AG Dortmund (Beschluss vom 07.04.2010) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Dortmund vom 7.4.2010 abgeändert und der Versorgungsausgleich wie folgt durchgeführt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei dem C Dienststelle X zu Personalnummer ... zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe eines Ausgleichswertes von 66,55 EUR, bezogen auf den 31.10.2009, übertragen.
Im Wege der internen Teilung werden zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der E Rentenversicherung S (Versicherungsnummer ...) zugunsten der Antragstellerin Anrechte i.H.v. 4,7531 Entgeltpunkten - bezogen auf den 31.10.2009 - auf das vorhandene Konto Nr ... bei der E Rentenversicherung L C T übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt L2 zu 230573 V 1-1 zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht i.H.v. 19,07 Versorgungspunkten, bezogen auf den 31.10.2009, übertragen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten geschiedenen Eheleuten jeweils zur Hälfte auferlegt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3480 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Ausschluss des Versorgungsausgleiches im Hinblick auf die Wirksamkeit eines von ihnen geschlossenen notariellen Ehevertrages.
Die am 18.5.1971 geborene Antragstellerin und der am 12.2.1961 geborene Antragsgegner haben am 11.4.2003 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind die (vorehelich geborenen) Kinder T1, geboren am 26.10.1999, sowie L N, geboren am 17.4.2001, hervorgegangen. Die Antragstellerin ist als Teilzeitkraft bei der C AG beschäftigt und wird nach Besoldungsgruppe A7 besoldet; der Antragsgegner ist seit Dezember 1985 als Angestellter bei der L GmbH beschäftigt. Er ist Eigentümer eines lastenfreien Hauses.
Bereits längere Zeit vor Eheschließung schlossen die Parteien am 6.9. 2001 für die beabsichtigte Eheschließung einen notariellen Ehevertrag. Darin vereinbarten sie eine modifizierte Zugewinngemeinschaft dergestalt, dass es zwar grundsätzlich bei dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verbleiben sollte, jedoch bei Beendigung des Güterstandes ein zwischenzeitlich erfolgter Erwerb von Schenkungen, Übertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge, Ausstattung und Erwerb von Todes wegen etc. bei der Berechnung des Anfangs- und des Endvermögens unberücksichtigt bleiben sollten, insbesondere auch das bereits im Eigentum des Ehemanns stehende Grundstück. Weiterhin schlossen die Parteien den Versorgungsausgleich aus, verzichteten für den Fall der Scheidung wechselseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche einschließlich des Notbedarfes und ebenfalls wechselseitig auf Pflichtteilsansprüche bei Vorversterben des anderen Ehegatten.
Die endgültige Trennung der Beteiligten erfolgte durch Auszug der Antragstellerin zusammen mit ihren Kindern aus der ehelichen Wohnung am 6.5.2009.
Mit bei Gericht am 28.5.2009 eingegangener Antragsschrift - zugestellt am 19.11.2009 - hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe und die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1.2.2010 trennte das AG auf Antrag beider Parteien das Versorgungsausgleichsverfahren ab und sprach durch Urteil vom gleichen Tage die Scheidung der Ehe aus; dieses Urteil ist infolge allseitigen Rechtsmittelverzichts an diesem Tage rechtskräftig geworden. Am 7.4.2010 verkündete das AG einen Beschluss, durch den es feststellte, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Zur Begründung führte es aus, das Gericht sei gem. § 6 Abs. 2 VersAusglG an die getroffene Vereinbarung der beteiligten Eheleute gebunden, da Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse nicht dargelegt seien. Zwar werde durch die vorliegende Regelung in den Kernbereich des gesetz...