Leitsatz (amtlich)
In Fällen, in denen eine Sicherheit zur Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719, 707 ZPO geleistet wird, fällt in der Regel der Anlass der nach § 709 ZPO zur vorläufigen Vollstreckung geleisteten Sicherheit des Titelgläubigers teilweise weg, so dass § 109 ZPO (Rückgabe der Sicherheit) anwendbar ist.
Normenkette
ZPO §§ 109, 707, 719
Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 13.09.2012; Aktenzeichen 18 O 160/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Dortmund vom 13.9.2012 abgeändert.
Der Klägerin wird aufgegeben, bis zum 15.6.2013 die Bürgschaftsurkunde an die Beklagte zurückzugeben und sich mit der Entlassung der Landesbank C aus der Prozessbürgschaft gemäß der Bürgschaftsurkunde mit der Nummer ... vom 24.6.2011 einverstanden zu erklären oder nachzuweisen, dass sie wegen des gesicherten Anspruchs Klage erhoben hat, falls die Beklagte bis zum 30.5.2013 eine entsprechende neue Bürgschaft der Landesbank C über den Betrag von 150.000 EUR stellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Wert von 60.000 EUR.
Eine Gebühr im Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.
Gründe
Die nach § 109 Abs. 4 ZPO in Verbindung mit den §§ 567 ff. ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Die Veranlassung für ihre Sicherheitsleistung i.S.d. § 109 Abs. 1 ZPO ist im Wesentlichen weggefallen.
Die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung ist dann weggefallen, wenn der unsichere Zustand beendet ist, der bei der Sicherheitsleistung vorgelegen hat. Es muss daher in der Regel feststehen, dass ein Schadensersatzanspruch des Schuldners aus § 717 Abs. 2 ZPO nicht mehr entstehen kann.
Die Beklagte und Widerklägerin macht zu Recht geltend, dass dies hinsichtlich eines ganz wesentlichen Teils ihrer Sicherheitsleistung der Fall ist. Sie hat eine Bürgschaft von über 3 Mio. Euro als Sicherheitsleistung gem. § 709 ZPO gestellt, um aus dem erstinstanzlichen Urteil zu vollstrecken. Anschließend ist durch den Beschluss des Senats im Berufungsverfahren die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil gegen Sicherheitsleistung gemäß den §§ 707, 719 ZPO vorläufig eingestellt worden, woraufhin die Klägerin und Widerbeklagte ihrerseits eine Bürgschaft von ca. 3,4 Mio. Euro gestellt hat, um die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil abzuwenden.
Hiermit ist der Zweck der Sicherheitsleistung der Beklagten nach § 709 ZPO im Wesentlichen weggefallen. Zwar soll diese Sicherheitsleistung nicht nur den durch die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil entstehenden Schadens absichern, sondern auch den möglichen Schaden, welcher durch die Leistung einer Abwehrsicherheit nach den §§ 707, 719 ZPO entsteht. Aus diesen Gründen wird überwiegend angenommen, dass der Zweck der Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO nicht durch eine Einstellungssicherheit nach den §§ 707, 719 ZPO entfällt. Die Beklagte macht aber zu Recht eine evidente Übersicherung der Klägerin geltend.
Es entspricht nahezu einhelliger Ansicht (vgl. Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl., § 109 Rz. 3, Foerste in Musielak, Kommentar zur ZPO, 9. Aufl., § 109 Rz. 4 sowie Schulz in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 109 Rz. 10 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung), dass bei einer eklatanten und unzumutbaren Übersicherung § 109 ZPO entsprechend anzuwenden ist, da in diesen Fällen die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung "teilweise" weggefallen ist. Gerade in den Fällen, in denen eine Einstellungssicherheit nach den §§ 719, 707 ZPO geleistet wird, wird in der Regel der Anlass zur Vollstreckungssicherheitsleistung des Gläubigers nach § 709 ZPO teilweise wegfallen, da die mit der Sicherheitsleistung verbundenen Nachteile für den Schuldner wertmäßig hinter der Sicherheit zurückbleiben, die dem Gläubiger abverlangt worden ist (vgl. hierzu auch Jaspersen in Beck'scher Online-Kommentar zur ZPO, Edition 8, § 109 ZPO Rz. 8.2).
Eine solche unzumutbare Übersicherung liegt hier vor. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass etwaige Schäden, welche der Klägerin durch die Stellung ihrer Einstellungssicherheit entstehen können und welche von der Sicherheit der Beklagten gedeckt sind, lediglich aus den Avalzinsen für die Gestellung der Bürgschaft bestehen können. Andere nennenswerte Schäden, z.B. durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, sind, mit Ausnahme der Rechtsanwaltsgebühren, bislang ersichtlich nicht angefallen. Nach den Berechnungen der Beklagten, welche von der Klägerin nicht in Abrede gestellt werden, betragen die Avalzinsen maximal gerundet 33.970 EUR im Jahr. Die Bürgschaftssumme beläuft sich hingegen auf gerundet 3.100.000 EUR, also auf ca. das Hundertfache des der Klägerin in einem Jahr an Avalzinsen entstehenden Schadens. Dies rechtfertigt es, einen teilweisen Wegfall der Veranlassung für die Sicherheitsleistung i.S.v. § 109 ZPO anzunehmen.
Die Klägerin macht demgegenüber zu Unrecht geltend, dass Voraussetzung hierfür zusätzlich ein unbedingte...