Leitsatz (amtlich)
War der Verteidiger nach § 297 StPO nicht zur Rechtsmitteleinlegung ermächtigt, haftet er als falsus procurator für die Kosten des Rechtsmittels. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die als Verteidiger auftretende Person von dem Beschuldigten überhaupt nicht (wirksam) mit der Verteidigung betraut worden war oder wenn der Verteidiger das Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Beschuldigten eingelegt hat.
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 Qs 12/12) |
Tenor
Die Kosten der weiteren Beschwerde werden dem Verteidiger Rechtsanwalt Q in B auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht beraumte in der vorliegenden Sache mit Verfügung vom 29. Dezember 2011 einen Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. Januar 2012 an. Die Ladung wurde dem Angeklagten am 5. Januar 2012 zugestellt. Mit Schriftsatz von diesem Tage, beim Amtsgericht eingegangen am 6. Januar 2012, bestellte sich Rechtsanwalt Q in B zum Verteidiger des Angeklagten und bat unter Hinweis auf eine Kollision des anberaumten Hauptverhandlungstermins mit einem Termin, den er in einer anderen Sache vor dem Landgericht I wahrnehmen müsse, um eine Verlegung der Hauptverhandlung. Mit Verfügung vom 11. Januar 2012 lehnte das Amtsgericht diesen Antrag ab. Hiergegen legte der Verteidiger Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 24. Januar 2012 als unzulässig verwarf. Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 25. Januar 2012, beim Landgericht am gleichen Tage per Telefax eingegangen, "sofortige Beschwerde" ein.
Am 27. Januar 2012 fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Anwesenheit des Angeklagten statt. Der Verteidiger nahm an der Verhandlung nicht teil. Das Amtsgericht stellte das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO ein. Ausweislich des Sitzungsprotokolles gab der Angeklagte im Termin noch folgende Erklärung ab: "Ich habe den Rechtsanwalt Q nicht mit einer Beschwerde gegen die Verlegung (Anmerkung des Senats: gemeint sein kann nur "gegen die Ablehnung der Verlegung") des Hauptverhandlungstermins beauftragt. Ich teilte ihm mit, dass ich den Termin auf jeden Fall wahrnehmen werde, auch wenn er keine Zeit haben sollte."
Unter dem 31. Januar 2012 erkundigte sich das Landgericht unter Hinweis darauf, dass die Hauptverhandlung am 27. Januar 2012 stattgefunden habe, bei dem Verteidiger, ob seine "sofortige Beschwerde" vom 25. Januar 2012 gleichwohl dem Oberlandesgericht vorgelegt werden solle. Hierauf teilte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Februar 2012 mit, er bitte um die Vorlage an das Oberlandesgericht, obwohl die Beschwerde ihr eigentliches Ziel, die Verlegung der Hauptverhandlung, nicht mehr erreichen könne. Er hoffe, "mit einer Abgabe der an sich schon erledigten Beschwerde an das Oberlandesgericht Hamm einmal eine grundsätzliche Klärung herbeiführen zu können." Der Bitte des Verteidigers kam das Landgericht nach.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die "sofortige Beschwerde" als unzulässig zu verwerfen. Der Senat hat die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft dem Verteidiger mit dem Hinweis zur Stellungnahme übersandt, es sei beabsichtigt, die Kosten der weiteren Beschwerde ihm, dem Verteidiger, aufzuerlegen.
Mit Schriftsatz vom 14. März 2012 hat der Verteidiger die "sofortige Beschwerde" zurückgenommen.
II.
Nach der Rücknahme des gemäß § 300 StPO als weitere Beschwerde anzusehenden Rechtsmittels war nur noch in Anwendung des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Kostenschuldner ist der Verteidiger Rechtsanwalt Q.
Nach § 297 StPO kann der Verteidiger für den Beschuldigten Rechtsmittel einlegen, soweit nicht der ausdrückliche Wille des Beschuldigten entgegensteht. Soweit der Verteidiger nach dieser Vorschrift ermächtigt war, ein Rechtsmittel einzulegen, haftet der Beschuldigte für die Kosten des zurückgenommenen oder erfolglosen Rechtsmittels (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. [2011], § 473 Rdnr. 8). Soweit der Verteidiger hingegen nach § 297 StPO nicht zur Rechtsmitteleinlegung ermächtigt war, haftet er als falsus procurator für die Kosten; dies ist namentlich dann der Fall, wenn die als Verteidiger auftretende Person von dem Beschuldigten überhaupt nicht (wirksam) mit der Verteidigung betraut worden war oder wenn der Verteidiger das Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Beschuldigten eingelegt hat (vgl. Senat, NJW 2008, 3799).
Der letztgenannte Fall liegt hier vor. Rechtsanwalt Q hat das von ihm als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Angeklagten eingelegt. Der Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, an deren inhaltlicher Richtigkeit der Senat keinen Zweifel hat, ist zu entnehmen, dass der Angeklagte seinem Verteidiger eindeutig zu verstehen gegeben hat, dass er mit der Terminsbestimmung durch das Amtsgericht einverstanden war und den Termin in jedem Falle wahrnehmen wollte. Die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die amtsgerichtliche Terminsbestimmung - und erst recht die Einlegung einer ...