Leitsatz (amtlich)
Im Arzthaftungsprozess bestimmt sich der Erfolgsort des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung regelmäßig nach dem Ort der in Frage stehenden fehlerhaften ärztlichen Behandlung, wenn durch diese die primäre Gesundheitsbeschädigung des klagenden Patienten eingetreten ist. Das gilt auch bei einer im Rahmen einer Praxisbehandlung geltend gemachten Unterlassung ordnungsgemäßer Diagnostik und Behandlung: der Erfolgsort liegt in der Praxis, wenn mit dem Unterlassen eine primäre gesundheitliche Folge, wie z.B. eine unnötige Fortdauer eine Schmerzzustandes, verbunden war. Der Ort, an dem verbleibende oder vertiefende Schmerzen als weitere sekundäre Schadensfolgen der zuvor vollendeten ärztlichen Behandlung eingetreten sind, ist kein Erfolgsort im Sinne von § 32 ZPO.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 32
Verfahrensgang
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das LG B bestimmt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Bestimmung eines zuständigen Gerichts.
Der Antragsteller begab sich nach den Angaben in dem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, den er zu stellen beabsichtigt, nach einem Sturz am 21.01.2014 und nachfolgenden erheblichen Schmerzen im Rücken- und Wirbelsäulenbereich zeitlich nacheinander in medizinischer Behandlung bei den Antragsgegnern zu 1) bis 3). Am 16.05.2014 stellte sich der Antragsteller bei einer weiteren Ärztin vor. Dort wurde eine MRT-Aufnahme durchgeführt und eine Fraktur der Wirbelsäule sowie ein Ödem an der Wirbelsäule festgestellt. Am 19.05.2014 wurde der Antragsteller operiert.
Der Antragsteller hält die durchgeführten Behandlungen jeweils für fehlerhaft, da bei allen Antragsgegnern die gebotene Diagnostik und Behandlung unterblieben sei. Das beabsichtigte Beweissicherungsverfahren soll dazu dienen, zu klären, ob die Behandlungen der Antragsgegner den geltenden Standards entsprachen, und ob der heutige Zustand des Antragstellers bei ordnungsgemäßer Behandlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein anderer wäre.
Der Antragsgegner zu 1) hat seinen Wohn- und Praxissitz in J, bei der Antragsgegnerin zu 2) handelt es sich um eine Gemeinschaftspraxis in N und bei der Antragsgegnerin zu 3) um eine Gemeinschaftspraxis in B.
Der Antragsteller beantragt die gerichtliche Bestimmung eines zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist als das im Rechtszug nächsthöhere Gericht für die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit für das beabsichtigte Beweissicherungsverfahren gemäß § 36 Abs. 1 ZPO zuständig.
2. Die Voraussetzungen der gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Ein gemeinsamer allgemeiner Gerichtsstand der Antragsgegner ist nicht feststellbar. Die Antragsgegner haben nach dem Vorbringen der Parteien in der Antragsschrift sowie der Stellungnahme der Beklagten im Vorlageverfahren ihren allgemeinen Sitz (§§ 12, 13, 17 ZPO) in den Bezirken verschiedener LGe, der Antragsgegner zu 1) im Bezirk des LG I, die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) im Bezirk des LG B.
b) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist über seien Wortlaut hinaus auch auf ein beabsichtigtes selbständiges Beweisverfahren anwendbar (Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 14 m.w.N.).
c) Der Antragsteller beabsichtigt, die Antragsgegner als Streitgenossen in Anspruch zu nehmen.
Nach dem zugrunde zu legenden (vergleiche Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 36 ZPO Rn. 18 m.w.N.) Vortrag des Antragstellers steht eine (im Beweisverfahren zu klärende) Haftung der Antragsgegner als Streitgenossen gemäß den §§ 59, 60 ZPO in Frage. Die Antragsgegner werden jedenfalls als einfache Streitgenossen gem. § 60 ZPO in Anspruch genommen. § 60 ZPO verlangt im Übrigen lediglich die Gleichartigkeit von Ansprüchen auf Grund eines im wesentlich gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes. Seine Voraussetzungen sind im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit immer dann zu bejahen, wenn der Antragsteller den Ersatz derselben Schäden begehrt und die Ansprüche in einem sachlichen Zusammenhang stehen (BGH, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18). Das ist bei der Inanspruchnahme der Antragsgegner auf einheitliches Schmerzensgeld aus den jeweils unterlassenen Behandlungen bzw. Diagnosen für die Verletzung des Antragstellers durch den Sturz der Fall. Denn es ist prozessökonomisch, in einem Verfahren zu klären, ob und inwieweit etwaige Behandlungsfehler der Antragsgegner - zusammenwirkend oder selbständig voneinander - vorlagen, und die Abgrenzung zu treffen, welche (weiteren) Schmerzen und Schäden infolge des Sturzes durch welchen der Antragsgegner hätten vermieden werden können.
d) Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht nicht. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gem. § 21 ZPO - der auch auf die Ausübung eines freien Berufs anwendbar ist (BGH, I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331-336 [zit. nach juris, dort Rn. 13]; Beck'scher Online-Kommentar ZPO-Toussaint, Stand: 01.03.2015, § 21 ZPO Rn. 3) - scheidet aus, da die Niederlassung des Antragsge...