Leitsatz (amtlich)

Ein Verweisungsbeschluss ist unverbindlich, wenn das verweisende Gericht einer beklagten Partei keine Gelegenheit gegeben hat, sich vor der Beschlussfassung zum gestellten Verweisungsantrag zu äußern, die beklagte Partei sich zu diesem Zeitpunkt im Prozess nicht geäußert hatte und nicht sicher festgestellt werden kann, ob sie Schriftstücke aus dem Prozess erhalten hatte.

 

Normenkette

GG Art. 103; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 4 O 6/19)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht Dortmund.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch.

1. Nach ihrem Vortrag aus der Klageschrift vom 03.01.2019 stand sie mit einer von dem Beklagten geführten GmbH, der N GmbH, in ständiger Geschäftsbeziehung. Der Beklagte unterzeichnete am 24.07.2018 eine Erklärung über eine selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung einer Kaufpreisforderung der Klägerin gegen die GmbH. Als Postanschrift des Beklagten ist in der Bürgschaftsurkunde angegeben: "G-Weg ..., ... Kleve" (Anlage K 2 = Bl. 7 f. d.A.).

Am 17.12.2018 belief sich die Forderung der Klägerin ihrem Vortrag nach auf 36.843,68 EUR nebst Zinsen (vgl. "Kontenabstimmung" vom 05.12.2017 = Anlage K 3 = Bl. 10 f. d.A.). Zum Ausgleich dieser Forderung setzte sie dem Beklagten eine Frist bis zum 21.12.2018 (Anlage K 4 = Bl. 12 d.A.).

Mit Beschluss vom 12.12.2018 ordnete das Amtsgericht Dortmund - 259 IN 116/18 - das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH an und bestellte einen Rechtsanwalt zum vorläufigen Insolvenzverwalter (Anlage K 1 = Bl. 6 d.A.).

Der Beklagte meldete sich mit einer E-Mail vom 27.12.2018 und teilte mit, dass über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und er nach seinen derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sei, die Bürgschaftsforderung zu erfüllen. Zudem erhob er Gewährleistungsansprüche in Bezug auf die von der Klägerin gelieferten Produkte. In dieser E-Mail sind drei Büroanschriften der GmbH mitgeteilt, u.a. die in der Bürgschaftsurkunde genannte Adresse des Beklagten in Kleve (Anlage K 5 = Bl. 13 d.A.).

2. In der Klageschrift hat die Klägerin eine Wohnanschrift des Beklagten in Dortmund mitgeteilt ("I-Straße ..., ... Dortmund"). Nachdem die Zustellung unter dieser Adresse gescheitert war, wurde ihm die Klageschrift am 01.03.2019 unter einer von der Klägerin mitgeteilten, neuen Anschrift in Kleve durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (Bl. 23, 23R d.A.). Dabei handelt es sich um dieselbe Adresse, die in der Bürgschaftsurkunde und der E-Mail des Beklagten vom 27.12.2018 angegeben ist.

Mit Verfügung vom 11.02.2019 hat das Landgericht Dortmund darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit bestünden, da der Beklagte bereits bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags in Kleve wohnhaft gewesen sei (Bl. 21 d.A.).

Der Kläger hat zunächst angekündigt, nach Eingang der Zustellungsmittelung Verweisung an das Landgericht Kleve beantragen zu wollen (Bl. 24 d.A.), dann aber nach Erhalt der Nachricht von der am 01.03.2019 erfolgten Zustellung mit Schriftsatz vom 17.04.2019 den Erlass eins Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren gegen den Beklagten beantragt (Bl. 30 d.A.).

Mit Verfügung vom 06.05.2019 hat das Landgericht Dortmund daraufhin mitgeteilt, dass es sich am Erlass eines Versäumnisurteils gehindert sehe, weil die Voraussetzungen für seine örtliche Zuständigkeit vom Kläger nicht dargelegt worden seien (Bl. 31 f. d.A.). Der Beklagte habe seinen Wohnsitz in Kleve; dort befinde sich sein allgemeiner Gerichtsstand gem. § 12 ZPO. Daneben komme nach dem Vortrag der Klägerin nur noch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO in Betracht. Nach § 269 Abs. 1 BGB sei jedoch im Zweifel davon auszugehen, dass der Beklagte die Leistung an seinem Wohnort zu erbringen habe.

Die Klägerin hat nunmehr mit Schriftsatz vom 23.05.2019 Verweisung an das Landgericht Kleve beantragt (Bl. 37 d.A.). Dem ist das Landgericht Dortmund ohne Anhörung des Beklagten mit Beschluss vom 28.05.2019 gefolgt (Bl. 38 d.A.). Die Begründung ist im Wesentlichen gleichlautend mit der Verfügung vom 06.05.2019.

3. Das Landgericht Kleve hat zunächst Einsicht in das Einwohnermelderegister genommen. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte seinen Erstwohnsitz seit dem 01.02.2017 in Dortmund unterhält, allerdings nicht unter der in der Klageschrift genannten Anschrift, sondern einer anderen Hausnummer, nämlich I-Straße ... statt ... Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auszug aus dem Melderegister Bezug genommen (Bl. 42 ff. d.A.).

Auf Grundlage dieser Erkenntnis hat das Landgericht Kleve die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Wegen der fehlerhaften Angabe der Hausnummer habe die Klageschrift unter der aktuellen Anschrift des Beklagten in Dortmund nicht zugestellt werden können. Die Zustellung unter seiner vorherigen Adresse in Kleve sei unwirksam gewesen, da er hier se...

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