Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Notwendigkeit einer Kostenentscheidung im selbstständigen Beweissicherungsverfahren.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 91a, 485; GKG § 49

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 11 OH 16/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses der 11. Zivilkammer des LG Münster vom 2.8.2000 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 1.201 bis 1.500 DM.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Er hat außerhalb eines Rechtsstreits einen Antrag auf Beweissicherung gestellt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG den Antrag auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen, weil die Beantwortung der Beweisfragen zur Vermeidung eines Rechtsstreits nicht geeignet sei. Zwischenzeitlich hat der Antragsgegner zu 3) den Schaden in vollem Umfang reguliert. Daraufhin hat der Antragsteller angekündigt, er werde den Antrag „für erledigt erklären”. Er hat gegen die Kostenentscheidung des LG Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, die bloße Antragstellung habe ausgereicht, um den Antragsgegner zu 3) zur Zahlung zu veranlassen. Das zeige, dass das Verfahren geeignet (gewesen) sei, zur Vermeidung eines Rechtsstreits zu führen. Deshalb seien die Kosten des Verfahrens den Antragsgegnern aufzuerlegen. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 und 2 ZPO), in der Sache aber nicht begründet. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

1. Ob und unter welchen Voraussetzungen in einem selbstständigen Beweisverfahren – abgesehen von dem hier nicht gegebenen Sonderfall des § 494a Abs. 2 ZPO – eine Kostenentscheidung ergehen darf oder muss, ist in Rechtsprechung und Literatur seit langem streitig. Die am 1.4.1991 in Kraft getretene Neuregelung des Beweissicherungsrechts hat die Kontroverse nicht beendet (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 91 Rz. 13, Stichwort: „Selbstständiges Beweisverfahren” und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 91 Rz. 193, jeweils mit zahlreichen Nachweisen). Die inzwischen wohl überwiegend vertretene Auffassung bejaht die Notwendigkeit einer Kostengrundentscheidung jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO bzw. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO in den Fällen, in denen der Antrag als unzulässig zurückgewiesen oder zurückgenommen wird (BGH MDR 1983, 204; OLG Hamburg v. 31.7.1997 – 9 W 16/97, OLGReport Hamburg 1997, 23 = MDR 1998, 242 m.w.N.). Unter bestimmten Voraussetzungen wird auch eine Kostenentscheidung analog § 91a ZPO für zulässig gehalten (OLG Hamm v. 10.12.1984 – 6 WF 626/84 = MDR 1985, 415).

2. Grundsätzlich findet im Beweissicherungsverfahren eine Kostenerstattung nicht statt. Gegenüber der Staatskasse ist der Antragsteller Kostenschuldner (§§ 49 ff. GKG). Er ist auch als Auftraggeber seinem Anwalt gegenüber zahlungspflichtig. Der Gegner des Antragstellers ist gegebenenfalls dem eigenen Anwalt gegenüber als dessen Auftraggeber verpflichtet. Für die Auslagen des Gerichts haftet der Antragsteller. Wer die in einem selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten ersetzt haben möchte, ist darauf angewiesen, sie entweder in einem etwaigen Hauptprozess als Prozesskosten geltend zu machen oder als sachlich-rechtlichen Ersatzanspruch gesondert einzuklagen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., m.w.N.). Im „Normalfall” ist daher im Beweissicherungsverfahren keine Kostenentscheidung zu treffen. Das kann in den Fällen unbefriedigend sein, in denen eine Kostenerstattung aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, ein Hauptprozess aber nicht stattfindet oder eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch fehlt (OLG Hamm, v. 10.12.1984 – 6 WF 626/84 = MDR 1985, 415). Für diese Fälle wird die Zulässigkeit eines Kostenausspruchs im Beweissicherungsverfahren diskutiert.

Ob ein solcher Fall hier vorliegt, ist zweifelhaft. Den Antragsgegnern sind – soweit ersichtlich – keine Kosten erwachsen, deren Erstattung verlangt wird. Ein Bedürfnis dafür, im Beweissicherungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die Antragsgegner die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen haben, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegner einen materiell-rechtlichen Zahlungsanspruch. Haben sich die Antragsgegner mit der Erfüllung ihrer Schadensersatzverpflichtung im Verzug befunden, kann er sich unter den Voraussetzungen des § 286 BGB schadlos halten.

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens aber jedenfalls deshalb zu tragen, weil sein Antrag auf Beweissicherung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Ein Fall des § 485 Abs. 1 ZPO ist nicht gegeben. Auch die Voraussetzungen von § 485 Abs. 2 ZPO haben nicht vorgelegen, denn es fehlte das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Beweissicherung. Ein solches Interes...

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