Leitsatz (amtlich)
Im Haftbeschwerdeverfahren bedarf es vor einer Entscheidung des Beschwerdegerichts keiner vorherigen Anhörung des Nebenklägers, da durch die zu erlassene Haftentscheidung betreffend den Angeklagten seine Rechtsstellung als Nebenkläger nicht verletzt wird und er in seinen rechtlichen Interessen keinen Nachteil erleidet.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 14.09.2007; Aktenzeichen 7 Ns 86 Js 761/07 (102/07)) |
AG Bielefeld (Entscheidung vom 23.07.2007) |
Tenor
Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs und die Gegenvorstellungen der Nebenklägerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens betreffend die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör trägt die Nebenklägerin.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 23.07.2007 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung, jeweils zu Lasten der Nebenklägerin, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf den Strafausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 14.09.2007, das noch nicht rechtskräftig ist, verworfen. Der Senat hatte durch Beschluss vom 05.10.2007 auf die Haftbeschwerde des Angeklagten den Vollzug des gegen diesen ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 15.05.2007 - 9 Gs 2003/07 - in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Bielefeld vom 14.09.2007 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Gegen diesen Beschluss hat die Nebenklägerin durch Schriftsatz ihres Verteidigers vom 09.10.2007 Gegenvorstellungen erhoben. Sie rügt, dass weder ihr noch ihrem Verfahrensbevollmächtigten Kenntnis von der Haftbeschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 14.09.2007 gegeben worden sei, so dass sie keine Gelegenheit gehabt habe, sich zu den von dem Angeklagten angeführten Gründen für eine Außervollzugsetzung des gegen ihn erlassenen Haftbefehls zu äußern. Im Übrigen vertritt sie unter näheren Ausführungen die Auffassung, dass die Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu Unrecht erfolgt sei, da mit einer Flucht des Angeklagten zu rechnen sei sowie, dass vorliegend auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu bejahen sei. Sie beantragt, den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen, hilfsweise dem Angeklagten die Haftauflagen zu erteilen, sich von der Wohnung der Nebenklägerin fern zu halten und zu ihr einen Abstand von 2 Kilometern einzuhalten.
II.
Die Eingabe der Nebenklägerin vom 09.10.2007 war bei zutreffender Auslegung sowohl als Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs als auch entsprechend ihrer konkreten Bezeichnung in dem vorgenannten Schriftsatz als Gegenvorstellungen aufzufassen.
1.
Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs war zurückzuweisen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag nach § 33 a StPO zu beurteilen ist oder ob hier, da eine unterbliebene Anhörung im Beschwerdeverfahren gerügt wird, § 311 a StPO zur Anwendung kommt. Die beiden Vorschriften setzen neben einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs in entscheidungserblicher Weise (§ 33 a StPO) bzw. einer unterbliebenen Anhörung des Beschwerdegegners (§ 311 a StPO) vor Erlass eines Beschlusses bzw. einer Beschwerdeentscheidung außerhalb der Hauptverhandlung und der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidungen voraus, dass die Entscheidungen zum Nachteil eines Beteiligten bzw. des Beschwerdegegners ergangen sind und dieser Nachteil noch fortbesteht. Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Durch den Senatsbeschluss vom 05.10.2007 werden nämlich die rechtlichen Interessen der Nebenklägerin nicht beeinträchtigt.
Nachteil i.S.d. § 33 a StPO ist gleichbedeutend mit Beschwer (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 33 a Rdnr. 6), Nachteil i.S.d. § 311 a StPO stellt jede Beeinträchtigung der rechtlichen Interessen des Beschwerdegegners dar (vgl. Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., § 308 Rdnr. 3 i. V. m. § 311 a Rdnr. 1). Durch Haftentscheidungen betreffend den Angeklagten wird der Nebenkläger in seiner Rechtsstellung aber nicht betroffen. Der Nebenkläger kann entweder in seiner Funktion als privates Kontrollorgan staatsanwaltschaftlicher Strafverfolgung oder durch eine unrichtige Behandlung des Nebenklagedeliktes verletzt sein (vgl. Senge in KK, StPO, 5. Aufl., § 401 Rdnr. 3). Durch Haftentscheidungen betreffend den Angeklagten entsteht für den Nebenkläger hinsichtlich dieser Rechtspositionen kein Nachteil. Ihm steht deshalb mangels einer Beschwer kein Beschwerderecht gegen Entscheidungen betreffend die Untersuchungshaft oder die vorläufige Unterbringung des Angeklagten zu (vgl. Boujong in KK, StPO, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 19; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 114 Rdnr. 21 und § 400 Rdnr. 1; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 401 Rdnr. 2; OLG Karlsruhe, NJW 1974, 658, betreffend Haftentscheidungen; KG, Beschluss vom 28.08.2000 - 1 AR 869/00 - 4 Ws 134/00; veröffentlicht in http://www.[...