Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Anhörung des vierjährigen Kindes bei Streit ums Umgangsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ohne persönliche Anhörung eines – hier vier Jahre alten Kindes – kann regelmäßig über den Umgang mit seinem Großvater nicht entschieden werden, denn die Entscheidung hängt maßgeblich vom Willen des Kindes und der Intensität seiner Bindung an den Großvater ab.

2. Ist die Kindesanhörung in erster Instanz unterblieben, ist eine Zurückweisung der Sache an das FamG angemessen.

 

Normenkette

FGG § 50b Abs. 1, 3, §§ 12, 50b; BGB § 1685 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Dorsten (Beschluss vom 23.09.2008; Aktenzeichen 12 F 191/08)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Dorsten vom 23.9.2008 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Anordnung eines Umgangsrechts vom 1.7.2008 - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - Familiengericht - Dorsten zurückverwiesen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Anordnung eines Umgangsrechts mit seinem Enkelsohn, dem am 2.7.2004 geborenen F E, dem Sohn der Antragsgegner.

Der am ... geborene Antragsteller ist der Großvater des betroffenen Kindes. Dieses lebt im Haushalt der Antragsgegner, bei denen es sich um den Sohn und die Schwiegertochter des Antragstellers handelt.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind tief greifend zerstritten. Der Grund dieses Zerwürfnisses besteht darin, dass die Ehefrau des Antragstellers und beide Antragsgegner dem Antragsteller vorwerfen, er unterhalte ein ehewidriges Verhältnis zu einer Nachbarin. Aufgrund dieses Zerwürfnisses verweigern die Antragsgegner dem Antragsteller den Umgang mit seinem Enkelsohn F.

Der Antragsteller hat behauptet: Zwischen ihm und F bestehe ein enges, herzliches Verhältnis. Die Vorwürfe, die die Antragsgegner gegen ihn erheben, seien unzutreffend. Insbesondere unterhalte er keine ehewidrige Beziehung.

Der Antragsteller hat beantragt, den Antragsgegnern aufzugeben, ihm eine Besuchsregelung für seinen Enkelsohn F E einmal monatlich samstags, wahlweise am ersten oder dritten Samstag im Monat, in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr zu gestatten.

Die Antragsgegner haben die Zurückweisung dieses Antrages beantragt.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Familiengericht - nach persönlicher Anhörung der Beteiligten - den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten befristeten Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er im Wesentlichen vor: Das Verhältnis zwischen ihm, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter sei nicht derart zerrüttet, dass eine Wiederannäherung und die Durchführung positiv verlaufender Umgangskontakte mit seinem Enkelsohn von vornherein ausgeschlossen seien. Die Vorwürfe, die sein Sohn gegen ihn erhebe, beispielsweise er habe Selbstmordabsichten geäußert und Waffen mit sich geführt, seien unzutreffend. Der Antragsgegner habe erklärt, er werde eine gerichtlich angeordnete Umgangsregelung akzeptieren. Die Antragsgegnerin sei bereit, ihm ein Umgangsrecht mit seinem Enkelsohn zu gewähren. In einem anderen familiengerichtlichen Verfahren habe er ohne weiteres ein Umgangsrecht mit einem anderen Enkelkind erreichen können. Das Familiengericht habe zu Unrecht davon abgesehen, seinen Enkelsohn persönlich anzuhören.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht vom 2.9.2008 Bezug genommen.

B.I. Die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts beruht auf einem wesentlichen Verfahrensfehler. Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das AG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung sind angemessen. 1. Das Familiengericht hat nicht in dem erforderlichen Umfang den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen (§ 12 FGG) aufgeklärt und damit erheblich verfahrensfehlerhaft gehandelt.

In einem Verfahren wie dem vorliegenden hat das Familiengericht das betroffene Kind gem. § 50b Abs. 1 FGG persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Von dieser Anhörung darf nach § 50 Abs. 3 FGG nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Gegen diese Vorschriften hat das Familiengericht hier verstoßen. Die Frage, ob zugunsten des Antragstellers ein Umgangsrecht gem. § 1685 Abs. 1 BGB anzuordnen ist, kann ohne die persönliche Anhörung des bereits zum Zeitp...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge