Leitsatz (amtlich)
Die Regelung in einem (notariellen) Ehegattentestament
"Der Überlebende soll aber verpflichtet sein, als Rechtsnachfolger in unser Vermögen nach seinem Tode nur eines oder beide Kinder aus unserer jetzigen Ehe zu bestimmen."
ist als Schlusserbeinsetzung der Kinder mit beschränktem Änderungsvorbehalt für den überlebenden Ehegatten auszulegen.
Normenkette
BGB §§ 2065, 2269-2270
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 16.06.2010; Aktenzeichen 7 T 666/09 + 430/10) |
AG Marl (Aktenzeichen 5a VI 361/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss aufgehoben.
Die erste Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG vom 14.10.2009 wird zurückgewiesen.
Das AG wird angewiesen, den am 5.8.2010 der Beteiligten zu 1) erteilten Erbschein einzuziehen.
Die Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 3) im Verfahren der Erstbeschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens dritter Instanz findet nicht statt.
Der Geschäftswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin war verheiratet mit G-X W, der am 21.6.1986 vorverstorben ist. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die aus dieser Ehe hervorgegangen Töchter, die Beteiligten zu 1) ist eine Tochter der Beteiligten zu 3).
Die Erblasserin errichtete mit ihrem Ehemann zu notarieller Urkunde vom 24.5.1973 (UR-Nr. .../... K U in I am See) ein gemeinschaftliches Testament, das folgenden Wortlaut hat:
"Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Der Längstlebende von uns soll alleiniger Erbe des Zuerstversterbenden sein.
Der Überlebende soll aber verpflichtet sein, als Rechtsnachfolger in unser Vermögen nach seinem Tode nur eines oder beide Kinder aus unserer jetzigen Ehe zu bestimmen."
Nach dem Tod ihres Ehemannes errichtete die damals 81jährige Erblasserin ein weiteres notarielles Testament (UR-Nr. .../... des Notars Dr. I1 N in I am See), in dem es unter I heißt:
"Zu meiner alleinigen und ausschließlichen Erbin bestimme ich meine Enkeltochter T T1. Ersatzerbin ist ihre Tochter K1.
Meiner Tochter N1 vermache ich mein nach Abzug der Beerdigungskosten noch vorhandenes Geld- und Wertpapiervermögen."
Unter II des Testaments ist ausgeführt, dass die Tochter V bereits zu Lebzeiten erhebliche Zuwendungen und die Tochter N1 finanzielle Zuwendungen erhalten hätten.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Beteiligte zu 1) am 13.8.2009 beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ihrer Großmutter ausweist.
Die Beteiligte zu 2) und 3) widersprachen dem Antrag und vertraten die Auffassung, die Erblasserin sei aufgrund des Ehegattentestaments vom 24.5.1973 gehindert gewesen, die Beteiligte zu 1) zu ihrer Erbin einzusetzen.
Mit Beschluss vom 14.10.2009 wies das AG den Erbscheinsantrag zurück. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hob das LG mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.6.2010 die Entscheidung des AG auf und wies es an, den beantragten Erbschein zu erteilen, wenn nicht binnen vier Wochen nach Bekanntmachung seines Beschlusses weitere Beschwerde hiergegen eingelegt werde.
Am 5.8.2010 erteilte das AG zugunsten der Beteiligten zu 1) den beantragten Erbschein.
Mit Schreiben vom 16.8.2010 legte die Beteiligte zu 2) weitere Beschwerde gegen den ihr am 23.7.2010 zugestellten Beschluss des LG ein und beantragte mit Schreiben vom gleichen Tage die Einziehung des bereits erteilten Erbscheins. Durch einstweilige Anordnung vom 5.8.2010 gab das LG der Beteiligten zu 1) auf, die Ausfertigung des Erbscheins zurückzusenden, damit der Erbschein bis zum Abschluss des Verfahrens der weiteren Beschwerde in der Akte verwahrt werden könne. Dieser Aufforderung ist die Beteiligte zu 1) nachgekommen.
Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats hat die Beteiligte zu 2) am 22.9.2010 zu Protokoll der Rechtspflegerin ihre weitere Beschwerde formgerecht eingelegt.
II. Das Verfahren richtet sich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtszustand, weil es vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft und auch sonst zulässig. Da das AG den Erbschein bereits erteilt hat, ist das Beschwerdebegehren dahin auszulegen, dass es auf die Einziehung des Erbscheins gerichtet ist. Denn durch die vorläufige Ablieferung der der Beteiligten zu 1) erteilten Ausfertigung des Erbscheins hat dieser seine Rechtswirkungen noch nicht verloren. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) folgt daraus, dass sie aufgrund des Ehegattentestaments ihrer Eltern eine Erbenstellung neben ihrer Schwester, der Beteiligten zu 3), beansprucht, die ihr das LG abgesprochen hat.
Die weitere Beschwerde ist auch begründet und führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 14.10.2009 und der Anweisung, den am 5.8.2010 erteilten Erbschein einzuziehen.
1. Das LG hat das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten (§ 2265 BGB) vom 24.5.1973 dahin ausgelegt (§ 133 BGB), die Eheleute hätten sich...