Leitsatz (amtlich)
1.
Sind von mehreren Einzelfreiheitsstrafen eines Urteils bereits einige rechtskräftig geworden, kann eine Teilvollstreckung grundsätzlich bis zur geringst möglichen Gesamtfreiheitsstrafe erfolgen.
2.
Dies gilt aber nur, sofern die Einzelfreiheitsstrafen bzw. die zu erwartende Gesamtstrafe nicht mehr aussetzungsfähig sind, mithin mehr als zwei Jahre betragen.
3.
In derartigen Fällen geht mit der eingetretenen Teilrechtskraft eines Urteils die bis dahin gegen den Angeklagten vollzogene Untersuchungshaft ohne Rücksicht auf eine förmliche Einleitung der Strafvollstreckung unmittelbar in Strafhaft über.
4.
Ein Haftfortdauerbeschluss nach § 268 b StPO bedarf jedenfalls dann, wenn die Verurteilung deutlich von den Vorwürfen des ursprünglichen Haftbefehls abweicht, einer Begründung, aus der hervorgehen muss, welcher Taten der Angeklagte dringend verdächtig ist und worauf die richterliche Überzeugungsbildung beruht. In diesen Fällen reicht der bloße Verweis auf einen früheren Haftbefehl nicht aus.
5.
Das Beschwerdegericht kann dann eine eigene Haftentscheidung treffen, wenn die bereits vorliegenden schriftlichen Urteilsgründe ihm hierzu eine ausreichende Tatsachengrundlage vermitteln.
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 Ns AK 207/11) |
Tenor
Die Haftbeschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) mit der Maßgabe verworfen, dass gegen den Angeklagten anliegender neuer Haftbefehl des Senats vom heutigen Tage ergeht.
Gründe
I.
1.
Der Angeklagte ist am 22.02.2011 vorläufig festgenommen worden. Er befindet sich seit dem 23.02.2011 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Detmold vom 23.02.2011 bis heute ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Mit dem Haftbefehl, der zwischenzeitlich weder neu gefasst noch erweitert worden ist, wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 22.02.2011 in M gemeinschaftlich und gewerbsmäßig handelnd als Mitglied einer Bande einen Betrug begangen zu haben. Er soll gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten L bei der 75 Jahre alten Zeugin und Geschädigten N einen Geldbetrag in Höhe von 3.000,- € abgeholt haben, nachdem zuvor am selben Tage ein bislang unbekannter Mittäter des Angeklagten, mit dem dieser im Rahmen einer hierzu organisierten Vereinigung von Q aus Betrugstaten zur Verschaffung einer dauerhaften Erwerbsquelle beging, der Geschädigten N vorgetäuscht hatte, er sei ihr Enkel und benötige dringend Geld für den Kauf eines PKW. Die Geschädigte habe dies dem unbekannten Anrufer geglaubt und deshalb das Geld dem L, der von dem Anrufer als dessen Beauftragter angekündigt worden war, übergeben. Der Angeklagte selbst soll währenddessen im Fluchtfahrzeug gewartet haben.
Der Haftbefehl vom 23.02.2011 ist auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt. Der Angeklagte verfüge über keinen festen Wohnsitz in Deutschland und habe angesichts der Schwere der Straftat mit der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen.
2.
Die Anklage vom 10.05.2011 hat dem Angeklagten sodann zur Last gelegt, in M und an anderen Orten zwischen dem 01.02.2011 und dem 22.02.2011 durch 7 selbstständige Handlungen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, Betrugsstraftaten begangen zu haben, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb.
Die Anklage führt hierzu aus, der Angeklagte gehöre einer polnischen Gruppierung an, die sich aus der wiederkehrenden Begehung von Straftaten, die unter dem Namen "Enkeltrick" bekannt geworden seien, eine dauerhafte Einnahmequelle verschafften. Es würden gezielt ältere Menschen als Opfer ausgewählt, die dann angerufen würden, wobei ihnen vorgeschwindelt werde, es rufe ein naher Angehöriger an, der sich in einer aktuellen finanziellen Notlage befinde. Die Opfer würden sodann überredet, dem vermeintlichen Verwandten kurzfristig mit einem vier- bis fünfstelligen Geldbetrag auszuhelfen. Dabei wiesen die Anrufer darauf hin, dass der vermeintliche Angehörige verhindert sei, selbst das Geld abzuholen und zu diesem Zwecke Beauftragte vorbeischicke. Die Taten seien in arbeitsteiliger und wohl geplanter Vorgehensweise ausgeführt worden. Die Auswahl der Opfer sei von Q aus erfolgt, ebenso die Anrufe und die Steuerung der Logistik der Straftaten. Der Angeklagte habe gemeinsam mit dem Mitangeklagten L vor Ort agiert und habe sich auf Anweisung von Q aus zu den einzelnen Opfern begeben, wobei es die Aufgabe des Mitangeklagten L gewesen sei, das Geld abzuholen, während der Angeklagte die Aufgabe hatte, abgesetzt zu warten und auf mögliche Störungen zu achten.
Die Anklage zählt dann neben der Tat vom 22.02.2011 weitere sechs ähnlich gelagerte Straftaten auf, bei denen zwischen 75 und 84 Jahre alte Zeuginnen in der geschilderten Weise von Q aus angerufen worden waren, wobei es allerdings nur in zwei weiteren Fällen (Taten Nr. 4 und 6 der Anklage) tatsächlich zur Übergabe von Geldbeträgen gekommen war. In den Fällen 1 bis 3 und 5 der Anklage waren die angerufenen Seniorinnen dagegen misstrauisch geworden und hatten den...