Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsurteil. Bezugnahme auf vorinstanzliche Urteile
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bezugnahme im Berufungsurteil auf amtsgerichtliche Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen ist nur unter engen Voraussetzungen möglich und aufgrund der damit verbundenen Fehleranfälligkeit grundsätzlich nicht empfehlenswert.
2. Zur strafmildernden Berücksichtigung eines drohenden Bewährungswiderrufs in anderer Sache.
Normenkette
StPO § 267 Abs. 1; StGB § 46
Verfahrensgang
AG Arnsberg (Aktenzeichen 4 Ds 218/20) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Angeklagte (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).
Gründe
Zusatz:
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
1.
Eine Bezugnahme im Berufungsurteil auf amtsgerichtliche Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen ist nur unter engen Voraussetzungen möglich und aufgrund der damit verbundenen Fehleranfälligkeit grundsätzlich nicht empfehlenswert. In dem angefochtenen Urteil erweist sich die Beweiswürdigung zu den in Bezug genommenen Feststellungen zur Person der Angeklagten (II. 1. Absatz der Urteilsgründe) als lückenhaft, was den Bestand des Urteils im Ergebnis jedoch nicht gefährdet.
Gemäß § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen Urteilsgründe stets eine in sich geschlossene, aus sich heraus verständliche Darstellung der Feststellungen und der sie tragenden Beweiserwägungen enthalten (BGH, Urteil vom 20.10.2021 - 6 StR 319/21 - juris Rn. 10; Beschluss vom 05.04.2000 - 3 StR 58/00 - juris Rn. 5 jeweils m.w.N.). Die Bezugnahme auf amtsgerichtliche Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen ist nur zulässig, wenn das Berufungsgericht selbst die gleichen Feststellungen wie das Amtsgericht getroffen hat, dies eindeutig im Berufungsurteil zum Ausdruck kommt und der genaue Umfang der Bezugnahme erkennbar ist (Senatsbeschluss vom 08.01.2009 - 5 Ss 528/08 - juris Rn. 14).
Vorliegend hat die Strafkammer zwar noch hinreichend deutlich gemacht, dass es eigene, mit den amtsgerichtlichen Feststellungen übereinstimmende Feststellungen zur Person der Angeklagten getroffen hat. Die diesen zugrundeliegenden Beweiserwägungen lassen sich den Gründen des angefochtenen Urteils jedoch nicht entnehmen. Insoweit beziehen sich erst die nachfolgenden, ergänzenden Feststellungen der Berufungskammer (II. 2. Absatz der Urteilsgründe) auf die glaubhaften Angaben der Angeklagten. Der Bestand des Urteils wird dadurch jedoch nicht gefährdet, da sich die weiteren Erwägungen der Kammer zur Strafzumessung ausschließlich auf die dargestellten, ergänzenden Feststellungen sowie den durch Verlesung eingeführten Auszug aus dem Bundeszentralregister stützen.
2.
Im Rahmen der Strafzumessung ist nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer den drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 10.07.2019 mit sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht erörtert hat.
Ein (möglicher) Bewährungswiderruf als Folge eines bewussten Bewährungsbruchs durch den Täter ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen strafmildernd zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 07.09.2022 - 1 StR 49/22 - juris Rn. 3; Urteil vom 17.02.2021 - 2 StR 294/20 - juris Rn. 24). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Zu dem Bewusstsein der Angeklagten über den drohenden Widerruf hat das Landgericht zwar keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere der ausführlichen Würdigung des (zweiten) Bewährungsbruchs, lässt sich jedoch zwanglos ableiten, dass das Landgericht ein entsprechendes Bewusstsein der Angeklagten zugrunde gelegt hat.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat auch ausschließen, dass das infolge des Widerrufs für die Angeklagte drohende Gesamtstrafenübel, welches stets Beachtung finden muss (BGH, Beschluss vom 22.03.2022 - 1 StR 425/21 - juris Rn. 9), außer Blick geraten ist.
3.
Die verhängte Einzelstrafe mit sechs Monaten für die Diebstahlstat ist zwar hoch, verlässt aber noch nicht den tat- und schuldangemessenen Bereich.
Die durch den Verteidiger angeführte Schadenshöhe, die hier mit knapp 46 € eher gering ist, ist bei Diebstahlstaten zwar ein wesentlicher bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt. Ob aber eine das gesetzliche Mindestmaß überschreitende Freiheitsstrafe das Übermaßverbot verletzt, hängt von einer Gesamtschau aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte ab (vgl. Senatsbeschluss vom 06.12.2022 - III-5 RVs 103/22 m.w.N.). Angesichts der vom Berufungsgericht berücksichtigten Vorstrafen der Angeklagten, des zweiten und einschlägigen Bewährungsbruchs, der erheblichen Rückfallgeschwindigkeit und der Ausnutzung des eigenen Kinders zur Begehung der Tat, ist das Übermaßverbot auch unter Berücksichtigung des relativ geringen Schadens, der Geständnisfiktion und des Umsta...