Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 14 Ns 89/07)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Bielefeld hatte den Angeklagten am 04.07.2007 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die dagegen gerichtete Berufung des Nebenklägers hatte die kleine Strafkammer mit Beschluss vom 11.09.2007 als unzulässig verworfen, weil er durch das amtsgerichtliche Urteil nicht beschwert sei. Er mache zwar die Nichtaburteilung wegen eines nebenklagefähigen Deliktes (§ 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO), nämlich wegen eines versuchten Mordes, geltend, diese sei aber fern liegend. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 12.02.2008 (3 Ws 41/08) den die Berufung verwerfenden Beschluss des Landgerichts aufgehoben, da unter Zugrundelegung des bisherigen Verfahrensstoffes jedenfalls mehr als die bloß entfernte Möglichkeit einer Aburteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags oder Mordes bestand und das Ziel der Nebenklage nach einer etwaigen Verweisung durch das Berufungsgericht an das Schwurgericht nach § 328 Abs. 2 StPO auch erreichbar wäre.

Die kleine Strafkammer hat daraufhin die Berufungshauptverhandlung durchgeführt und mit dem angefochtenen Urteil das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht - Schwurgericht - verwiesen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Nebenkläger zum Abend des 05.01.2007 türkische Sänger für die Hochzeit eines Kollegen in ein Lokal bestellt. Der Angeklagte begab sich nach einem Anruf seines Bruders spontan ab etwa 20.30 Uhr in dieses Lokal. In seiner Jacke hatte er noch ein Messer, welches er zuvor zum Einbau von Lautsprecherboxen in ein KFZ verwendet hatte. Im Verlaufe des Abends trank der Angeklagte zusammen mit seinem Bruder insgesamt etwa 2,1 Liter Raki, tanzte und scherzte. Gegen 22.00 Uhr traf auch der Nebenkläger im Lokal ein. Gegen 23.30 Uhr wollte der Nebenkläger die Musiker ins Hotel bringen und sodann selbst heimkehren. Als er mit den Musikern zusammenstand kam der Angeklagte hinzu und fragte ihn, ob er (der Nebenkläger) schlecht über seinen Vater gesprochen habe. Er holte dann das Messer heraus, hielt es in der Faust und stach mehrfach mit Wucht auf den Nebenkläger ein und fügte ihm dabei eine 15 cm lange Schnittwunde am linken Oberarm mit Trizepssehnendurchtrennung sowie mehrere kleine Schnittwunden am linken Arm zu, ferner eine zwei Zentimeter lange Schnittwunde am linken Mundwinkel sowie einen Bruch der oberen Schneidezahnprothese. Als der Angeklagte noch einmal ausholte, um auf den Angeklagten einzustechen, verletzte er seinen Bruder mit dem Messer unter dem Kinn. Dem Zeugen B gelang es schließlich, den Angeklagten, der weiter auf den Nebenkläger einstechen wollte, festzuhalten und ihm das Messer abzunehmen. Als der Angeklagte festgehalten wurde, drohte er, dass ihm keiner zu nahe kommen solle, sonst würde er ihn umbringen.

Das Landgericht war der Auffassung, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nicht fern liegend sei, dass der Täter damit rechne, dass das Opfer zu Tode kommen könne und - nur so lassen sich die Ausführungen im Urteil verstehen - hielt auch das voluntative Vorsatzelement wegen einer hohen Alkoholisierung nicht für ausgeschlossen, da nicht geklärt werden konnte, wie viel Raki der Angeklagte (Hervorhebung durch den Senat) getrunken hatte und die Tat nach den Ausführungen des Sachverständigen, der keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Berauschung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt gefunden habe, "wenig impulshaft, sondern durchaus vorbereitet und gesteuert" gewirkt habe.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig beantragt, weil ein Verstoß gegen § 328 Abs. 2 StPO ausschließlich mit der Verfahrensrüge gerügt werden könne, was hier jedenfalls nicht entsprechend § 344 Abs. 2 StPO geschehen sei.

II.

Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist der Angeklagte durch die Verweisungsentscheidung beschwert, obwohl es keine Sachentscheidung enthält. Die Beschwer ist darin zu sehen, dass das Berufungsgericht nicht die vom Angeklagten erstrebte günstigste Sachentscheidung getroffen hat, sondern die Sache an ein anderes Gericht verweist (vgl. BGH NJW 1975, 1246, 1237; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 208).

2.

Die Revision ist auch begründet.

Nach § 328 Abs. 2 StPO verweist das Berufungsgericht die Sache durch Urteil an das zuständige Gericht, wenn das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Darüber hinaus ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge